U – Verlagerung - „Objekt SÄUFERHÖHEN / Osowka“


© Gotti


Touristisch erschlossenes Stollensystem mit Waschräumen, Hallen und Gängen mit einer Gesamtlänge von 1. 600  m, zum Teil betoniert, zum Teil im Rohzustand. Interessante oberirdische, rätselhafte Bauten, wie das „Kasino“ und das „Kraftwerk“.

Auf dem Weg zum „Objekt SÄUFERHÖHEN“ kommt man am ehemaligen Arbeitslager Lager „Säuferwasser“ vorbei. Es grenzt unmittelbar an eine Fabrik, die sicherlich auch schon zu den damaligen Zeiten existierte. Die baulichen Strukturen lassen diese Vermutung durchaus zu. Auf der Straße fährt man bis zum Parkplatz hinauf zur Anlage und den Außenbauten. Ein kaum sichtbares Mundloch liegt am Straßenrand, nach einem kurzer Blick hinein stand fest, ziemlich viel Wasser. Es handelt sich um die Austrittstelle des Wasserstollens vom ehemaligen „Eingang 3“. Möglicherweise sollte dieser Wassertollen als Kläranlage und Entwässerungssystem für den Hauptkomplex unter dem umfangreichen Objekt dienen. Nach 2 m befindet sich ein teilweise eingestürzter Türstock und das Wasser reicht bis ca. 50 cm unter die Firste. Hier wären an diesem Tag auch die Wathosen völlig unbrauchbar gewesen. Oberhalb des Mundloches war dann auch der entsprechende Verbruch auszumachen. Der Name „Säuferhöhe“ stammt übrigens vom Fluss Säuferwasser ab, der sich hier durchs Gebirge windet.

Erkundung im Außenbereich:

Kompressorstation & Materialseilbahn
In der Nähe des Parkplatzes begann unsere Tour um und in die Anlage. Erste Erläuterungen gab es bei den Fundamentresten der Kompressorenstation. Anhand der Betonstrukturen mit den noch sichtbaren Bolzen, Anker, Schrauben und Gewinde sieht man, das hier sehr viel Energie für die Arbeiten erzeugt wurde. Schon allein die notwendigen Brecher für den angefallenen Schotter dürfte Unmengen Strom verbraucht haben. Der Ort diente sicherlich auch als Umschlagplatz, Materiallager und Versorgungsstelle. Die  Drahtseilbahn wurde benötigt um Baumaterialien, Werkzeuge und anders Gerät zu den Baustellen oberhalb des Berges zu transportieren. Man erkennt noch die Betonkonstruktion der Pfeiler mit Halterungen für den Aufzug und Seilwinde. Oberhalb des Berges wurde ein Gleisanschluss von der nahe gelegenen Ortschaft verlegt. Für diese Arbeiten bewältigte der Aufzug 100 m Höhenunterschied.

Die oberirdischen Gebäude und Anlagen
Die Menge und Vielfalt der oberirdischen Hinterlassenschaften lassen auf eine bestens organisierte Infrastruktur schließen. Sie zeigt aber meiner Meinung nach auch die Wichtigkeit der Anlage. Es ist möglicherweis so, dass es noch eine ganze Reihe unentdeckter unter- oder sogar noch oberirdischer Bauten und Strukturen gibt.

Der Transport- und Lüftungsschacht (Steigerschacht)
Fast auf dem Kamm des Berges angekommen gähnt der gewaltige Lüftungs- und Transportschacht. Mit einem Durchmesser von über 5 m und der Tiefe von fast 50 m ist die „Absicherung“ mittels Warnband und Bauzaun etwas dürftig. Der Schacht versorgte unter anderem die unterirdischen Stollen mit Frischluft und wurde auch zum Materialtransport genutzt. Es sollen sich auch später einige Unentwegte über diesen Schacht ins innere der Anlage abgeseilt haben.

Die Bunker für Zuschlagstoffe (Bauzusatzlagerbunker)
Die „Lager- oder Sandbunker“ sind durch ihre am Boden liegenden Heizungsrohre interessant. Dadurch wurde gewährleistet, dass auch bei Minustemperaturen die Zuschlagstoffe nicht gefroren und die Arbeiten weiter geführt werden konnten. Die Dampfheizungsrohre in den einzelnen Vorratskammern sind heute noch am Boden zu sehen. Mindestens 8 Dampfheizungsrohre zogen sich unter den Zuschlagstoffen entlang, das heißt, das man diese sicherlich auch regulieren und steuern konnte. Es gibt sechs Betonspeicher mit dem Gesamtvolumen von 5. 500 Kubikmetren.

Das Kasino
Das „Kasino“ war die ehemalige Planungs- und Koordinationsbaracke für das gesamte Baugeschehen ober- und unterirdisch der „SÄUFERHÖHEN“. Sie misst eine Länge von etwa 60 m und einer Breite von 14 bis 16 m. Die Dächer hatten größtenteils eingezogene Decken um somit eine natürliche Tarnung durch Bepflanzung zu erlangen.

Kraftwerk oder Kernreaktor ?
Das geheimnisvolle Kraftwerk. Die mächtige Betonplatte von ca. 30 m Seitenlänge mit darunter liegenden Bereichen ist unmittelbar über der unterirdischen Anlage angelegt. Über diesem Fundament mit ehemals ziemlich großen Aufbauten ist und wird viel spekuliert. Den ersten Anschein hat es, wie auch offiziell beschrieben, als sollte hier ein Kraftwerk aufgebaut werden. Eine trotzdem eher untypische, kompliziert wirkende Bauweise und Anordnung mitunter eigenartiger Betonkonstruktionen und unterschiedlichste Filigranstrukturen lassen aber sicherlich auch hier wildeste Spekulationen aufkommen. Verschiedenste Einlassungen für Steingutrohre, unterschiedlich in Form und Größe vorgesehene Nischen sowie ovale, runde und eckige Schächte machen dies beim Betrachten des relativ großen Fundamentes deutlich. Man findet duzende Schleusen, Kanäle oder sogar unterschiedlich farbige Röhren die zielstrebig in Richtung der Stollen führen.


Der unterirdische Bereich
Im November 1943 begannen die großangelegten Bauarbeiten des riesigen Stollensystems.
Die sich talseitig befindenden drei Eingänge liegen auf unterschiedlichen Niveaus. (608, 595 und 569  ü. N.) Es sollen in der „unterirdischen Stadt“ ca. 1800 m Gänge, Stollen und zum Teil betonierte Hallen angelegt wurden sein. Zum Ausbau des großangelegten Stollensystems wurde eine Methode angewandt, bei der gleichzeitig mit dem Auffahren von übereinanderliegenden Stollen begonnen wurde. Im weiteren Verlauf wurde dann die untere Decke zum Einsturz gebracht und es entstanden somit Hallen, Korridore und größere Räume für die geplanten Rüstungswerke. Auch hier wieder das gängige Schachbrettsystem mit einer ungefähren 80 - 90° Querung der einzelnen Stollen. Die längsten parallel zum Eingangsstollen verlaufenden Gänge waren als Kommunikationsstollen gedacht. Ein ziemlich breiter und hoher quer verlaufender Stollen sollte ein Komplex aus Produktions- und Lagerhallen werden. Es deutet darauf hin, das diese Bauweise zur industriellen Nutzung vorgesehen war. Beispielsweise für Taktsraßen, Förder- oder Fließbänder und auf einen vollständigen Arbeitsprozess vom Beginn bis Ende der kriegswichtigen Erzeugnisse. Was auch immer hier vorgesehen war. Die Hallen sind bis zu 10 m hoch und fast 8 m breit. Es finden sich auch einige Stollen in denen schon mit dem betonierten Ausbau begonnen wurde.

Unsere Befahrung
Der heutige, offizielle Eingang ist wohl kaum das ehemalige Hauptportal. Der für Gäste hergerichtete Bereich ist mit wuchtigen Stempeln flankiert und nicht wirklich sehenswert. Allerdings ändert sich das mit zunehmenden Eindringen in das riesige unterirdische Labyrinth. Dieser Bereich war mit Sicherheit einer der Transportstollen. Auch hier hatten wir völlig freie Hand und konnten ohne polnisches Personal die Anlage in aller Ruhe erforschen. Die Förderstrecke führt bis zur Eingangssicherung und Wachbereich. Am fertig ausbetonierten Wachbunker ist noch eine MG - Scharte und der Handgranatenauswurf sowie das Lüftungsrohr zu erkennen. Die Wache musste in jedem Fall über eine Schleuse passiert werden um in den Hauptstollen und damit Produktionsbereich zu gelangen. Dieser war damals mit einer großen Stahltür verschlossen. Heute lässt man den Sicherungsbereich links liegen und gelangt sofort ins Hauptsystem. Dieses Sicherungssystem der Wach- und Einganssicherung mit Schleusen begegnen einem in fast allen noch zugänglichen Anlagen des gesamten „Komplex RIESE“.
Die Gänge sind teilweise mit Kies aufgefüllt um dem Wasser etwas entgegen zu wirken und somit befindet man hier über der ehemaligen Stollensohle. Bei der rechten der beiden Sicherungskammern gelangt man am Wachpunkt vorbei durch die ehemalige Schleuse ins Wachlokal und dem angrenzenden Stollenbereich mit seinen Querschlägen. Auch hier wieder die MG - Scharte, Granatenauswurf und Lüftungssystem. Dieses Schleusensystem mit Wache und anschließendem Wachlokal ist komplett ausbetoniert. Die Reste der Verschalung sind durchgehend zu erkennen. An den Übergängen der Decke zu den Betonwänden sind regelmäßig Öffnungen eingelassen, um das bei der vorherrschenden Feuchtigkeit anfallende Wasser zu sammeln und abzuleiten. Das Wasser wurde und wird zur Sammelrinne und angelegten Abfluss neben dem Betonfußboden abgeführt. Dieses System funktioniert heute noch, denn diese Bereiche sind ausgesprochen trocken. 
Der zweite zugängliche Eingang war an diesem Tag verschlossen, da sich im inneren noch Eisschollen türmten und somit für die Betreiber eine Gefahrenstelle darstellte. Also begaben wir uns wieder durch den zur Befahrung benutzen Eingang hinaus ans Tageslicht. Eine beeindruckende U - Verlagerung hatte uns durch seine Größe und unterschiedliche Ausbaustufen für Stunden gefesselt.

Text: Axel

Fotos: © Jens & Gotti

Bild 1: Der Wasserstollen

Bild 2 & 3: Wachlokal und Eingangssicherung mit MG - Scharte

Bild 4: Zugang ins Stollenlabyrinth

Bild 5 & 6: Unvollendete Produktionshalle, noch mit Holverschalung

Bild 7 & 8: Dampfeizung für Bauzugschalgstoffe bei Kälte und Fundament für das Kraftwerk

 

 www.osowka.pl/de/index.html

© Team Bunkersachsen 2010 / 2013

Ausfürlich dokumentiert und fotografisch festgehalten im dritten Teil der Dokuserie

 

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