Historischer Rückblick auf die Entwicklung der Handfeuerwaffen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Der bedeutende Militärforscher Heinrich von Müller, schrieb in seiner Geschichte des Festungskrieges:
„Die Einrichtung der Befestigungen ist im Laufe der Jahrhunderte fortwährenden  Veränderungen unterworfen worden …, wenn daher die neu erbaute Festung auf der Höhe der Zeit stand und der Verteidigung eine gewisse Überlegenheit über den Angriff gab, so war der letzter sofort wieder bemüht, die Schwächen der Befestigung aufzusuchen und die Kampfmittel und Kampfweise so lange weiter zu bilden, bis er damit seinerseits die Überlegenheit über die Verteidigung erlangte.“
Immer wieder war es mit Hilfe von Fernkampfwaffen, Bliden und später Geschützen gelungen die Widerstandsfähigkeit der Festungen an einer oder mehrerer Stellen zu brechen. Im Ergebnis stand der Sturmangriff auf die Festung in Aussicht, es kam zum Nahkampf an der Mauer und um die Mauer. Natürlich war die Festungsbesatzung bemüht die Angreifer so früh wie möglich abzuwehren. Das gehörte zu den Aufgaben der Bogen- und Armbrustschützen, die nach dem Aufkommen der Feuerwaffen durch diese ergänzt und schließlich ganz ersetzt wurden. Die Verteidiger von Festungen mußten die angreifenden Truppen von den Flanken her bekämpfen, um besonders wirksam zu sein. Auf nächster Distanz waren kleinere Geschütze oder Mörser effektiv, wenn der sogenannte Hagel, Kartätschen (Bleikugeln, gehacktes Blei oder Glas) zum Einsatz kam.
Es ist nur zu verständlich, wenn der Kampf um die Mauer so weit wie möglich in deren Vorfeld verlegt wurde. Im Leitfaden zum Unterricht in der Befestigungskunst von 1876 heißt es:
„Der Ingenieur muß bei der Anordnung der Werke und der Artillerist bei ihrer Armierung als ersten Grundsatz befolgen; in allen Perioden der Belagerung die Überlegenheit des Feuers über den Angriff zu erlangen, die Verteidigung kann dem Angriff nur dann überlegen werden, wenn sich jeder Angriffsbatterie eine an Zahl, Kaliber und Deckung überlegene Batterie ins Feuer bringt.„
Ein weiterer bekannter Fesungsingenieur, ein gewisser Simon schrieb in der Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Buch, von der Polygonal- und Kaponnier- Befestigung;
„... hat die Artillerie in der Verteidigung bisher selten etwas geleistet, so liegt die im fehlerhaften Gebrauch der Kunst, die Festungsartillerie richtig zu gebrauchen. Die ist ein noch ungelöstes Problem. Es gehört dazu die genaueste Kenntnis der Leistungsfähigkeit der Waffe, die immer noch fehlt.“
Schießtechnisch übertrafen die Waffen der Artillerie bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die der Infanterie erheblich. Das änderte sich in den Jahren 1840 bis 1855. die Infanterie erhielt an Stelle von glatten, gezogenen Gewehren zunächst Vorderlader, später Hinterlader. Bei der Feld- und der Belagerungsartillerie vollzog sich der Übergang von glatten Geschützen zum gezogenen Vorder- bzw. Hinterlader mit geringer Zeitverzögerung auch. Der Einfluß der gezogenen Geschützen auf den Festungsbau und Festungskrieg war vergleichbar mit dem Auftreten der ersten Feuergeschütze in den Festungskriegen. Die Waffenwirkung erlaubte eine nachhaltige Fern- und mit geringen Aufwand auch eine zähe Nahverteidigung. Zweck der modernen Geschütze zur Nahabwehr war eine möglichst größere Anzahl von Geschossen in geringen Zeiträumen zu verschießen. So wurde die Verteidigung verstärkt. Natürlich bleib die waffentechnische Entwicklung nicht ohne Einwirkung auf die Festungselemente. So wurden spezielle Bauwerke wie Komponnieren (auch Grabenkoffer, kasemattierte Räume zum Bestreichen der Festungsgräben), begünstigt durch neue Materialien, wie Beton  und Eisen, widerstandsfähiger gegen Beschuß gemacht, aber auch den neuen Einsatzmöglichkeiten der Abwehrwaffen angepasst und der Wirkung der Belagerungsartillerie weitgehend entzogen. Das war auch zwingend notwendig. Die Grabenwehren wurden in das Innere der äußeren Festungsmauer verlegt, wo sie aus Scharten die Gräben flankierend bestreichen konnte. Die großen Grenzfestungen im Westen und Osten besaßen später die 3,7cm Revolverkanone in den Grabenwehren der Gürtelforts. Die Infanterie griff mit wirksamen Waffen und veränderter Taktik in das Kampfgeschehen um die Festungen ein und wurde durch die Pioniere mit einer Vielzahl neuer Kampfmittel unterstützt. Beiden kam die große Zerstörungskraft der Belagerungsartillerie zu Hilfe. Aufgabe der Nahabwehr in Festungen war es, dem Gegner das Eindringen in die Festung zu verwehren und das Terrain durch Verteidigung aller vorbereiteten Stellungen zu behaupten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde begonnen, eine Reihe neuer Kampfmittel zu entwickeln, die für die Nahverteidigung von Bedeutung waren. Es gehörte zu den vordringlichsten Aufgaben der Festungsingenieure, die Kampfmittel der Nahabwehr einer zerstörenden Wirkung der Brisanz – Granaten zu entziehen.
Deutschland war bis zur Jahrhundertwende Schrittmacher in der Entwicklung von Hartguss – Panzerständen, Insbesondere die Magdeburger Firma Gruson trat hier in Zusammenarbeit mit dem preussischen Pionieroffizier Schumann in Erscheinung. Parallel beschäftigte dieser lukrative Bereich  der Rüstungsindustrie auch die Firma Krupp.

Waffen der Nahverteidigung im Festungskrieg waren
1885. 3,7cm Revolverkanonen in Kasemattenlafetten
1890, 5cm Kanone in Panzerlafette
          5cm Kanone in Kasemattenlafette
1896, 6cm Kanone im Panzerturm

Zur Fernverteidigung müßen die
1893, 15cm Turmhaubitze
1900, 7,7cm Kanone in Kasemattenlafette
          10cm Turmkanone (verstärkt)
          10cm Turmkanone kurz,  
          15cm Ringkanone in Minimalschartenlafette
1903, 21cm Turmhaubitze
1907, 15cm Ringkanone in Sockellafette
1908, 10cm Turmkanone 08 - kurz

Ältere glatte Geschütze blieben zur Nahverteidigung übrigens noch längere Zeit in der Bewaffnung der Armee. Die geschützt untergebrachten Festungsgeschütze wurden durch Beobachtungsstände und bombensichere Unterkunfts- und Munitionsräume ergänzt. Sie wirkten in einem System, eng verbunden mit Hindernissen, wie nassen und trockenen Gräben, Stahlgitterzäunen, Fallgruben etc. Panzertürme wurden zur unmittelbaren Sturmabwehr im Vorfeld eingesetzt.  

1913 wurde in einem Schreiben des Kriegsministeriums mitgeteilt, daß zum Zwecke der Graben- und Hindernissbestreichung in der Regel das Maschinengewehr zu verwenden ist. Damit betrat eine neue und weit wirksamere Waffe die Bühne des Festungskrieges.  Bis zum Jahre 1914 waren neben den Geschütz- und Beobachtungspanzer auch Maschinengewehr- und Scheinwerferpanzer verfügbar.    
 
5cm Kanone in Kasemattenlafette Bautyp 1890

Kaliber: 53mm
Feuergeschwindigkeit: 28 Schuss je Minute
Schussweite: Granaten: 3. 200m
                      Schrapnell: 3. 000m
                      Kartätsche: 400m
Rohrlänge: L / 24,5 = 130,5mm
Gewicht:1. 142kg, bis 111 650kg (Gewicht des Panzerturms mit Rohr und Vorpanzer)
Seitenrichtbereich: 30 Grad
Höhenrichtbereich: minus 10 bis plus 10 Grad
Geschossgewicht:Granate: 1, 63kg (0,07kg Sprengladung)
                             Schrapnell: 1,63kg (265 Kugeln / Durchmesser 12mm)
                             Kartätsche: 1, 88kg


Maschinengewehre

Hauptfeuerwaffe der infanteristischen Kampfanlagen, wie z. B. Forts und Festungen. Sie waren für den Einsatz in allen Festungslinien vorgesehen.

MG 08
Rückstoßlader mit Wasserkühlung

Kaliber: 7, 92mm
Feuergeschwindigkeit: 900 Schuss je Minute
Visierschussweite: max. 3. 500m
Gewicht: 20kg, auf Schlitten 08, 33kg
Munition wurde durch eine Doppeltrommel oder Gurt zugeführt
Gurtkasten mit 250 Schuss, 8, 53kg

Maschinenwaffen wurden mit Scharten, Schartenplatten oder durch Panzertürme geschützt.
Zur Besatzung eines Schartenstandes mit Maschinengewehren gehörten ein Gewehrführer und vier Schützen. Bei Kampfhandlungen befand sich der Gewehrführer und zwei Schützen (Richt- und Ladeschütze) an der Waffe im Kampfraum. Die anderen beiden Schützen befanden sich im Vorraum dazu.

Quelle:
Die deutsche Festungsfront, Ostwall, Westwall, Atlantikwall u.a. / S. Wetzig


Getippt: Axel

Feldpostkarte 1917 / Im Felde, mit MG 08 wassergekühlt


Foto: Privat Archiv   
Team Bunkersachsen 2013










 

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