Sächsisches Realienbuch 1937
Band 161

VIII. Die chemische Kriegswaffe

25. Die Kampfstoffe

Krieg! Trotz kraftvoller Abwehr gelingt feindlichen Fliegern der Durchbruch. Sie erreichen ihr Ziel und bewerfen es rücksichtslos mit Spreng-, Brand- und Gasbomben. Niedrig fliegende Flugzeuge lassen wohl auch Stoffe „abregnen“, die dann über der Erde vergasen. Wozu das alles? Die Spreng- und Brandbomben sollen vernichten, die chemischen Kampfstoffe verwirren. Niemand soll helfen und retten können.
Die chemischen Kampfstoffe wirken 1. als Augenreizstoffe, 2. als Nasen- und Rachenreizstoffe (Blaukreuz), als Lungengifte (Grünkreuz), 4. als Hautgifte (Gelbkreuz).
Das Chlorgas (§ 24, 1) wurde in den ersten Jahren des Weltkrieges aus Stahlflaschen über die feindlichen Stellungen abgeblasen, wenn der Wind der feindlichen Stellungen zu blies.
Phosgen besteht aus Kohlenoxyd (§ 17, 3) und Chlorgas. Es ist ein Reiz- und Lungengiftgas. Ihm sind im Weltkrieg mehr als 80% der Gastoten zum Opfer gefallen. Der Perstoff (Grünkreuz) ist gewissermaßen ein doppeltes Phosgen. Er haftet aber viel länger als dieses am Erdboden. Das Lungengift Chlorbitrin erhält man durch Einwirkung von Chlorkalk auf die stickstoffhaltige Piktinsäure. Das Gelbkreuz  oder Lost besteht aus Chlor, Schwefel und Kohlenwasserstoff.
Die feinen Spritzer des Lost verseuchen das Gelände für längere Zeit., die Flüssigkeit verdunstet schwer. Lost erzeugt auf der Haut gefährliche Brandblasen, gereift aber auch Augen und Atmungsorgane an.
Gegenmittel: Chlorkalk. Das Blaukreuz oder Clark enthält neben Kohlenwasserstoff und Chlor das giftige Arsen. Es bildet Nebel, die von den bis 1917 gebräuchlichen Gasmasken nicht zurückgehalten wurden. Dadurch wurden die beschossenen gezwungen, die Gasmasken abzureißen, (Maskenbrecher !). So konnten Grünkreuzgranaten, die man mit dem Blaukreuze verfeuerte, wirksam werden. (Lost = Lommel, Steinkopf und Clark = Chlorarsenkampfstoff).
In einem Kriege der Zukunft haben wir uns voraussichtlich gegen Phosgen, Lost und Clark zu schützen.

Die Brandbomben wiegen zwischen 0,5 und 5kg. Ein Flugzeug kann etwa 1 000 Stück mit sich führen. Die modernen Brandbomben sind mit einem Leichtmetalle (§ 29), Phosphor (§ 22) und Thermit gefüllt. Thermit ist ein Gemisch aus Aluminiumpulver und Eisenoxyd. Es verbrennt mit sehr hoher Temperatur selbst unter Wasser. Der Körper der Brandbomben besteht aus Elektrometall. Es verbrennt beim Entzünden der Bombenfüllung durch einen Aufschlagzünder restlos unter gewaltigem Funkensprühen. Die Branddauer der Bomben beträgt 5 bis 10 Minuten. Bekämpfung mit Sand! Die Umgebung mit Wasser bespritzen!

26. Die Gasmaske
Versuche (Lehrer): 1. Wir öffnen eine Flasche mit Brom und lassen die schweren braunen Dämpfe in eine Literflasche oder in einen Standzylinder fließen und gießen noch einige Tropfen flüssiges Brom nach. Dann geben wir 2 bis 3 Löffel „aktive“ Kohle hinzu. Die Flasche schließen und kräftig schütteln! In welcher Zeit ist die Luft in der Flasche farblos? Welchen Schluss können wir daraus ziehen?  2. Wir bringen in einem Lampenzylinder einen etwa 10cm langen Wattepfropfen. Wird durch den Zylinder Tabakrauch geblasen, dann wird dieser Schwefelstoff durch die Watte zurückgehalten. Wir wiederholen den Versuch, indem wir eine Lage dicken, filzartigen Fließpapiers zwischen den Öffnungen zweier einander zugekehrter Zylinder festklemmen. 3. Wir bringen in einem Filtertrichter aktive Kohle und blasen durch den schräg nach oben gehaltenen Trichter Tabakrauch. Hält die Kohle den Schwefelstoff fest? (Statt Tabakrauch kann auch Salmiaknebel durchgeblasen werden. Brom kann hergestellt werden, indem man ein Gemisch Bromkalium und Braunstein mit Schwefelsäure übergießt. Statt aktiver Kohle lassen sich im Notfalle trockener Torf oder frisch ausgeglühte Holzkohle verwenden).
Die Gasmaske besteht aus einem Kopfteil aus gummierten Stoff und einem Filtereinsatz. Durch einen breiten Stoffrahmen liegt die Maske der Stirn, den Wangen und dem Kinn luftdicht an. Die Maske hat für jedes Auge des Maskenträgers ein Fenster aus einem Werkstoffe der nicht beschlägt (Warum?) und unterhalb des Rohrstutzens, in den der Einsatz geschraubt ein Ausatmungsventil. Der Einsatz enthält zunächst eine Mundschicht aus Bimsstein und Diatomit (Kieselgur und Korkmehl). Die Masse ist mit Pottaschenlösung und Urotropin (Mittel zum Desinfizieren der Harnwege) getränkt. Diese Mundschicht ist zum zurückhalten des Phosgens unersätzlich. Auf die Mundschicht folgen der Gasfilter aus aktiver Kohle und dann ein Schwebstoffilter. Nach unten hin ist der Filtereinsatz durch ein Ölblatt oder durch einen Kleblappen abgeschlossen.
Notbehelf: Wir drücken das mehrfach zusammengefaltete und angefeuchtete Taschentuch vor Mund und Nase. Wenn es sein muß, das Tuch mit Urin durchtränken.

Quelle:L. Rahnmeyer und H. Schulze
Sächsisches Realienbuch
Band 164 / 1937
Privat Archiv Axel


Im Originaltext wiedergegeben.

Gasschutzübungen auf dem Gelände der technischen Hochschule in Berlin.

Die Gasschutzbewegung. Aufklärung des Publikums und Schulung von Hifsmannschaften gewinnt in erfreulichem Maße an Verbreitung, findet jedoch eine Begrenzung in den mangelhaften Mitteln, die das verarmte Deutschland dafür aufbringen kann.

Quelle:

 


Getippt: Axel

Fundstücke © Privat


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