Der Hartmann – Keller
Lagerkeller für Chemikalien, Luftschutz, Pistolenschießbahn für MfS und VP.
Im vorderen Hangbereich des Kaßberges befindet sich mit über 180 Jahren die relativ junge Kelleranlage der ehemaligen Chemnitzer Firma Richard Hartmann. Die Firma war bis zur Weltwirtschaftskrise einer der führenden Firmen in Chemnitz und Arbeitgeber für ca. 4 000 Beschäftigte. Europas größter Hersteller von Dampflokomotiven. Für die Eisenbahnfreunde der werten Leserschaft sei hier angemerkt, das noch drei Original Dampfloks der Firma Hartmann in Malaysia bei der Zuckerrohrernte eingesetzt sind und ihren schweren Dienst nach wie vor mit vollster Zuverlässigkeit ausführen. Gebaut wurde dieser Keller zwischen 1830 und 1840 und liegt am Rande des ehemaligen riesigen Fabrikgeländes der Firma. Fast unmittelbar über dem Einstieg befand sich das Fotochemische Labor. Hier wurden Blaupausen angefertigt nach denen die Maschinen und Aggregate hergestellt wurden
Der Kellerzugang ist von außen eher unscheinbar und erinnert ein wenig an ein Wasser- oder Pumpenhäuschen. Dieser Einlass ist einer von ursprünglich zwei Zugängen und wurde nach seiner Verschüttung neu aufgefahren. Schnell rastet der Schlüssel in einer alten Stahltür ein und es geht einige Stufen hinab in die zwei Längs- und drei Querstollen. Neben der Treppe ist die ehemalige schräge Transportrampe zu erkennen. Das System ist fast symmetrisch angelegt und zum größten Teil durchgängig im gemauerten Gewölbeausbau gehalten. 1845 sind die unterirdischen Räume dann in Nutzung der Firma Hartmann gegangen und wurden bis zum Untergang durch die Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren genutzt.
Unter einer ausgesparten und inzwischen abgedeckten Rinne mittig des Betonfußbodens vermuten die Vereinsmitglieder das hier die chemischen Abfälle vom Fotochemischen Labor zur Herstellung der Blaupausen eingelagert waren. Der Fußboden ist komplett ausbetoniert und an den Rändern sind Sammelrinnen zur Wasserabfuhr ausgespart. Reste der Wetterführung sind noch zu erkennen. Einige Zugangsbereiche sind mit gasdichten Bunkertüren aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg versehen. Aber darüber später mehr. Die zwei Hauptgänge haben eine Länge von ca. 37 m und waren sicherlich die Haupttransportwege. Die drei Quergänge mit insgesamt 27m Länge und kleinen Nischen dienten in erster Linie zur Einlagerung der Chemikalien. Herrliche gemauerte Gewölbekreuze, die wunderbar ausschauenden gemauerten Tunnelgänge sind faszinierend und ehrwürdig in ihrer Architektur untertage. Sie fordern den Erbauern den vollsten Respekt ab. Alte Lampen in ihren Birnenkäfigen hängen an der Firste, verrostete Anker, Kabelhalterungen oder –führungen und die erwähnten Bunkerstahltüren machen diese relativ kleine Anlage zu einem großartigen Erlebnis.
Mit Aufnahme ins Schutzprogramm durch die örtliche Luftschutzleitung wurde das Kellersystem zur LSR – Anlage ausgebaut. Sie retteten sicherlich sehr vielen Chemnitzer Bürgern während der insgesamt sieben verheerenden Bombenangriffen und Feuersbrünste vom 12. Mai 1944 bis 05. März 1945 das Leben.
Nach dem Kriegsende sollten die Gewölberäume durch die Russen gesprengt werden. Es ist dem beherzten Einsatz zweier Chemnitzer Bürger zu verdanken das es 1945 nicht zu dieser Zerstörung kam.
Nutzung durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) und dem Volkspolizeipräsidium Karl – Marx – Stadt
Pistolenschießbahn / Kugelfang
Das MfS untersuchte in den 1960er Jahren das Kellersystem auf Nutzung für unterirdische Befehlsstände. Allerdings kam man schnell zu dem Schluss, das die Anlage von der Lage und Größe her nicht ihren Vorstellungen für ihre Zwecke entsprach. Und so wurde dann in den 1960er Jahren eine Pistolenschießbahn für die Angehörigen des MfS und der Polizei Karl – Marx – Stadt im hinteren Quergang angelegt. Die ehemalige, nunmehr verrostete Personenzielscheibe befindet sich noch immer im aus Sand angeschütteten Kugelfang. Der Kugelfang selbst ist mit Holzbohlen gesichert und weist noch Spuren der Einschüsse unplatzierter Treffer auf. Eine Markierung „20“ lässt auf den Abstand der Schützen zum Ziel schließen. Ein noch vorhandener Ventilator an der Firste sorgte für vernünftige Luft während des Pistolenbetriebes. Aus dieser Zeit stammen auch die nachträglich angebrachten gasdichten Bunkerstahltüren.
Die Stasi hatte sich unmittelbar auf dem Kaßberg eingenistet und ihre Führungsämter untergebracht. Über einen direkten Zugang von der darüber liegenden Zentrale in die Hartmann – Keller wird spekuliert, ist aber wahrscheinlich. Spuren zu dieser Vermutung lassen sich in den Gewölben selbst finden. Forschungen in diese Richtung lassen Flurstücksgrenzen nicht zu und so werden weiterhin mehr oder weniger sinnvolle Vermutungen zu diesem Thema die Runde machen.
Im Außenbereich sind noch am Hang zwei Luftschächte zu finden.
Eine kleine, aber in seinen Facetten vielseitige Anlage, von den Vereinsmitgliedern liebevoll hergerichtet.
„Unter der Fabriknummer 4300 bei der SMF wurde 1919 eine Heeresfeldbahnlok von der Fa. R. Hartmann gebaut. Zu einem militärischen Einsatz gelang die Lok nicht mehr. Sie wurde nach England verkauft. Ein portugiesischer Plantagenbesitzer erwarb sie für den Einsatz in Mosambik. Dort war sie ab 1920 in einer Zuckerrohrplantage im Einsatz. Mitte der 70’er Jahre brachte ein Bürgerkrieg in der Region den Betrieb zum Erliegen und das Eisenbahnmaterial wurde nicht mehr gebraucht. 1999 war ein englischer Dampfmaschinensammler in Afrika unterwegs, der die abgestellten Maschinen kaufte und nach England bringen lies. Mithilfe des Frankfurter Feldbahnmuseums FF/Main nutzte das Sächsische Eisenbahnmuseum die einmalige Chance und kaufte im Jahre 2000 die Lok und begleitete den Transport von England nach Chemnitz“