U – Verlagerung KAINIT im Protektorat Böhmen / Mähren

                                            Nicht fertiggestelltes Stollensystem im Kacaktal bei Serbst.
                                                              Bau- Objektnummer: 5021 /
(Wichert)

O. T. Einsatzgruppe D. VII
II b. Oberbauleitung Serbst

OT Einsatzgruppe Brugmann (VIII)
Hauptbauführer Kiehne



Die im Bau unterbrochene b.z.w. nicht vollendete untertage Verlagerung “Kainit” wurde 1944 begonnen und für die “Pilsner Skoda Werke” zur Rüstungsverlagerung aufgefahren. Möglich das hier eine weitere Waffenschmiede für das Dritte Reich ins Kalksteingebirge getrieben werden sollte. Im Protektorat Böhmen / Mähren liegend, geriet natürlich das Bauvorhaben schon bald in die Reichweite der heranrückenden russischen Front. Das angedachte untertägige Rüstungswerk war  allerdings von Anfang an mit Problemen beschäftigt. So geht beispielsweise aus einem Bericht im
”BAUTAGEBUCH DES OBJEKTS SERBST UND DER SCHLEPPBAHN IN SERBST” von 1944 hervor:

Ncht./Jch                                  Waffenfabrik                      die technische Oberdirektion
                                          z.Hd. d.H. Oberdir.
                                          Dipl.Ing. Indra

Verlagerung – Serbst                Pilsen                                           29.Januar 44.

                                               GEHEIM!
                
Dies ist ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 88

Wir gestatten uns in der Beilage 3 Situationsskizzen, welcher unser Bergbaureferent nach den Angaben des H. Gen. Dir. Ing. Vamberaky ausgearbeitet hat, vorzulegen.
Diese Pläne haben wir überprüft und unsererseits zu diesem einen Maschinen- und Förderplan in Hinsicht auf die zugedachte Fertigung entworfen. Denselben fügen wir bei.
Auf Grund des Umstandes der Überlastung der Pilsner Abt. Werkserhaltung, welche die detaillierte Ausarbeitung des Bauvorhabens nicht durchführen kann, bitten wir Sie, dass Sie diese Arbeit H. Dir. Ing. Solta, TO Prag Abt. 05/5 C anvertrauen würden.
Der Besuch eines Herren von dieser Abteilung zur gründlichen Besprechung in Pilsen halten wir für notwendig.

                                       Ing. Tusl
                                       Ing. Binder

 Beilage: 3 Situationsskizzen
       1 Maschinenplan


A.G. vorm. Skodawerke Prag II.                                                        Prag 13.01.1944


Aus einem weiteren Dokument geht hervor, dass in der Truppengliederung des Verteidigungsbereiches Prag, Stand 10.04.45, für das Vorhaben “Kainit” die OT Einsatztruppe außerhalb des Reiches, Brugmann und Kumpf, ehemals Russland-Süd, aufgeführt wird.

 

                                                                    Die U - Verlagerung „KAINIT“
Wunderschön am Fluss Beroun gelegen, sollte die U - Verlagerung ins hier vorherrschende Kalksteingebirge getrieben werden. Der Fluss sowie eine vorhandene Eisenbahnlinie und optimale Straßenanbindungen waren hervorragende Bedingungen für die Aufnahme der Arbeiten einer unterirdischen Waffenfabrik der Pilnser Skoda Werke. Auf dem Weg zur Anlage lässt man einen Sicherungsbunker links liegen und kommt am ehemaligen Grubengebäude vorbei. Betonfundamente für eine Trafostation, dem Kohlenschuppen und benötigte Brücken weisen auf den richtigen Weg hin. Die Anlage, oder das was man heute davon zu sehen bekommt, besteht aus drei voneinander getrennten Stollensystemen. Die Querschläge in allen dieser sich im Rohausbau befindliche Bauabschnitte lassen jedoch die Vermutung zu, das es ein kompakter, miteinander verbundener unterirdischer Rüstungsbetrieb hätte werden sollen. Eine Karte aus 1944 zeigt alle drei Systeme so miteinander verbunden wie die Anlage nach Fertigstellung geplant war. Außer wenigen Relikten die vornehmlich der Stromversorgung dienten, oder die Spuren der Bohrstangen im Gestein ist heute kaum noch etwas von den arbeiten aus damaliger Zeit zu sehen.

Sicherungsbunker

Grubengebäude


Die Stollenbereiche im einzelnen.

Mundloch 1
Einige Meter vom Weg entfernt im verwildertem Gelände  liegt an der Gebirgswand der von uns mit Nr:1 bezifferte Zugang. Der Hauptstollen weist eine recht beträchtliche Länge auf. Gleich nach dem Mundloch ist links eine kleinere Nische ins Gestein geschlagen, etwas Haufwerk muß überwunden werden um den weiteren Verlauf des Hauptganges folgen zu können. Ein weiterer Querschlag nach links taucht auf. Er endet wie auch ein weiterer Nischenausbau kurz vor Ende des Hauptstollens an der Ortsbrust. Im Hauptstollen läuft man über die Reste des Unterbaus der Transportbahn.


Mundloch 2
Nr: 2 ist zugleich auch das am weitesten ausgebaute, soll heißen vorgetriebenes Stollensystem für die Waffenschmiede aus Pilsen. Mit nach links und rechts abzweigenden Querstollen sollte es sicher das Hauptstück des Rüstungswerkes werden. Der längere der beiden Querschläge nach links hat neben einem kleinern Stollen, wiederum nach links reichend, einen längeren Schlag der unserer Meinung nach direkt zum Stollensystem Nr: 3 führen sollte. Dieser Schlag endet an einer Backsteinmauer. In diesem Stollengang sind zwei nischenähnliche Aushaue vorhanden. In Nr: 2 sind im erwähnten kleineren Schlag zwei erhöht ausgehauene, ca. 5m hohe „hallenähnliche“ Bereiche zu vermerken. Auch hier sind noch die Reste des Unterbaus der Grubenbahn vorhanden. Eine schöne, roh ausgehauene Stollenkreuzung zeigt sich dem Betrachter.
Vom Hauptgang gehen insgesamt zwei Querschläge nach links und ebenfalls zwei nach rechts ab. Die Abzweige auf der rechten Seite sind deutlich kürzer als die linkerseits, führen aber wiederum zum Stollensystem Nr:1. Es dürften nur noch wenige Meter bis zum entgültigen Zusammenschluss gelegen haben.


Mundloch 3
Ist relativ kurz und unspektakulär, auf den ersten Blick jedenfalls. In diesem kleinen System ist die einzige Einbringung von Beton zu entdecken. Am Ende des Hauptganges befindet sich ein Betonsockel mit aufgesetzter Betonwand. Nur ein Querschlag in Richtung Nr:2 (rechts) ist vorgetrieben. Fast alle Stollen der drei Anlagen können mit durchschnittlich 2 x 2m angegeben werden.


Umschlagplatz und Lager

Die Verlagerung “Kainit” hatte einen vorgelagerten Verladeplatz mit Wendeschleife, Gleisanbindung, Lagerflächen und Kompressorstationen. Vom Umschlagplatz gingen Schmalspurgleise in die drei begonnenen Stollenbereiche. Das Schotterbett und die Abdrücke der Schwellen sind in vielen der vorhandenen Stollen noch sichtbar. Weitere Baracken für Mannschaften und Arbeitskräfte erstreckten sich vom Flussufer bis hin zum Umschlagplatz. Die erforderliche Betonmischmaschine dürfte sich auch in diesem Umfeld befunden haben. Das anfallende Material aus dem Stollenvortrieb hätte sicherlich als Zuschlagstoff zur Betonherstellung Verwendung gefunden. Einige Straßenähnliche Aufschüttungen am Flussufer könnten aus eben diesem Abbaumaterial entstanden sein.

Umschlagplatz und Gebirgsformation


Im großräumigen Umfeld an einem kleineren Nebenfluss des Beroun existieren noch größere Fundamentplatten für Kompressorstationen und Aggregate. Auch weitere Mundlöcher könnten im Rahmen der Verlagerungstätigkeiten möglicherweise als Luftschutz- Flucht oder zusätzliche spätere Zu- oder Ausgänge vorgesehen worden sein. Ein direkter Zusammenhang mit den vorhandenen drei Stollensystemen konnte allerdings von uns nicht ermittelt werden.
Bei dem ehemaligen Umschlagplatz befindet sich heute eine Kletterwand. An der Felswand sind eine Reihe verplombter Mundlöcher zu sehen. Sie wurden aus Sicherheitsgründen mit Beginn des Klettersports verwahrt.

Verschlossene Mundlöcher entlang der Kletterwand

Interessant ist ein kleiner Durchgang von nur wenigen Metern etwas erhöht zwischen Mundloch Nr: 3 und der Kletterwand. Der gewundene Gang ist mit einem stark sandangereichertem Betongemisch fast komplett verfüllt.

Die "Durchgangshöhle"


Das natürlich vorkommende Gestein Kainit wurde vorwiegend zu Kalisalzen oder Dünge- und Auftausalzen verarbeitet.

Ein kühler, aber schöner Tag im Protektorat Böhmen / Mähren fand sein Ende, vielen Dank auch nochmals auf diesem Wege an unsere tschechischen Freunde Mirek & Daniela

Text: Axel
Fotos: © Jens, Lori, Rainer


Fotos: ©  Kalkberg Serbst und Umgebung unserer tschechischen Freunde

http://objekty2008cma.webnode.cz/

Wachturm

Trafogebäude



© Team Bunkersachsen 2012

 

Aus usneresm Gästetagebuch

Juni 2015

Glück auf,
da ich heute mal wieder die Kalksteinbrüche "Alcazar" besucht habe und auch in den Stollen der dortigen U-Verlagerung "Kainit" war, bin ich bei der Suche nach Infos auf Eure spannende Seite gekommen.
Den schönen Bericht den ihr zu "Kainit" verfasst habt möchte ich noch um einige Angaben aus tschechichen Quellen ergänzen:
- der Bunker gehört nicht unmittelbar zur U-Verlagerung, sondern ist Teil der dritten Linie des Tschechoslowakischen Walls (es gibt entlang der Berounka zahlreiche weitere solche Dinger)
- die Betonfundamente an dem kleinen Nebenfluss gehörten zur technischen Ausstattung des dortigen Kalksteinbruchs (Hostim II)
- das was ihr "Durchgangshöhle" bezeichnet habt waren eigentlich Förderstollen des dortigen Kalksteinbruchs; die Förderung erfolgte hier mit Feldbahngleisen und über sogenannte "Rollöcher", d.h. aus den oberen Etagen des Steinbruchs wurden die gebrochenen Steine einfach in Schrägstollen nach unten geschüttet; früher führte dann eine Förderseilbahn mit der das Material zum Bahngleis auf der anderen Seite des Flusses gebracht wurde
- die vermauerten Stollen bei der Kletterwand wurden in den 90er Jahren verwahrt, weil dort illegal radioaktiver Müll deponiert worden war...
mit besten Grüßen aus Prag,
Christoph






 


 

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