Der Sächsische Grenzbote.
Amtsblatt für die Stadt Pausa.
Zeitung und Anzeiger für die Städte Pausa, Mühltroff und Umgegend.
Nr. 120. Pausa, Mittwoch den 7. Oktober 1914. 36. Jahrg.
Seite 3
Feldpostbrief
Von Paul J. aus Pausa
Ueber ein Gefecht, bei welchem Paul J. aus Pausa verwundet wurde, schreibt er:
Nachdem wir nach einer 5tägigen Schlacht bei Vitry le Francois zurückgegangen waren und dann bei Somi Pry eine neue Stellung bezogen hatten, lagen wir bereits wieder sechs Tage in Verteidigungsstelle. Am 19. Sept. früh halb 6 Uhr wurde die Kompanie mit dem Befehl geweckt: Bereithalten zum Angriff auf die feindliche Stellung. Der Angriff begann hierauf halb 7 Uhr und zwar 134 er auf dem rechten Flügel, 133 er Mitte und auf den linken Flügel Truppen vom 8. Armeecorps. An der Spitze befanden sich 23er Pioniere mit Leitern und Türen, um einen zu überschreitenden Bach zu überdecken. Nachdem unsere Kompanie ausgeschwärmt war, wurde vorgegangen. Aber kaum hatten wir die erste Anhöhe überschritten, da ging es los wie alle Tage, da kamen die Kugeln, Schrapnells und Granaten nur so gepfiffen. Jetzt hieß es 1. und 2. Zug vorliegende Höhe besetzen, 3 Zug hinter der Höhe in Deckung bleiben. Nachdem die Höhe genommen und der Feind zurückgedrängt war, kam der Befehl: nicht weiter vorgehen, Schützen eingraben. Nach einiger Zeit versuchten die Franzosen durch Einschieben neuer Kräfte einen erneuten Vorstoß. Ich befand mich im 3. Zuge, war also noch nicht direkt ins Feuer gekommen. Da erhielt ich vom Kompanieführer den Befehl, vorzugehen in die vorderste Schützenlinie und dem Zugführer nachstehenden Befehl zu überbringen: Der Zugführer soll mit seinem Zuge die auf der Straße erscheinenden Schützenlinien und geschlossenen Kolonnen unter Feuer zu nehmen. Ich blieb nun mit vorn in der Schützenlinie liegen und half die vordringenden Franzosen niederzuknallen (hier wird man nämlich ganz kalt). Bis jetzt hatten wir ziemlich Ruhe, denn die französische Infanterie schießt sehr schlecht (alles zu hoch), und die Artillerie schoß entweder zu weit oder zu kurz.
Aber nach einiger Zeit wurde es anders, die Artillerie begann sich in unsere Schützenlinie einzuschießen. Jetzt gab es Tote und Verwundete in Menge. Kurz vor mir schlugen mehrere Granaten ein und überschütteten mich mit Erde. Jetzt kam wieder so ein Ding geflogen und explodierte neben mir und ich war dran. Ein Stück traf mich im Gesicht und riß mir eine Schramme am rechten Backen. Das war nicht so schlimm. Aber dann kam das zweite, größere Ding. Dasselbe zerschlug mir erst das Gewehr in drei Teile und flog mir dann ans Knie, riß ein Loch so groß wie ein Taler und hat jedenfalls auch den Knochen mit verletzt. Nach erhaltener Verwundung vermochte ich mich noch ungefähr 300 Meter zurückzuschleppen in die Deckung. Dort war es aber vorbei, denn erstens konnte ich mein Bein nicht mehr bewegen
Und zweitens hatte mich der starke Blutverlust ganz kaputt gemacht. Mit Mühe und Not konnte ich mir noch einen Notverband anlegen. An dieser Stelle lag ich nun von halb 4 bis 7 Uhr. Hierauf schafften mich zwei Kameraden nach dem Verbandplatze, wo ich verbunden wurde. Während der Nacht wurde ich dann von der Sanitätskompanie nach St. Marie Py geschafft, dort lag ich dann vier Tage. Von da aus ging es nach Gemida, wo ich nur eine Nacht war, und von da aus nach dem Etappenlazarett Uttiny, wo ich bis zum 25. verblieb.
Was ich während des Transportes für Schmerzen ausgestanden habe, das könnt ihr euch kaum vorstellen, den der Transport geschah auf Planenwagen und noch dazu die elenden Wege.
Aber in Uttiny wurde es dann besser. Denn am 25. früh hieß es, ein Lazarettzug aus Dresden ist eingetroffen und wir würden alle nach Deutschland befördert. So wurden wir denn am 25. früh verladen und gelangten endlich am 29. abends in Leipzig an, wo die Hälfte vom Zuge im Reservelazarett II untergebracht und die andere Hälfte nach Dresden befördert wurde.
Eingesandt (Feldpost betr.).
Unsere Söhne stehen draußen im Felde und tun ihre Pflicht für unser Vaterland. Wie schwer es ihnen wird bei diesen Kämpfen wollen wir nicht hervorheben und können auch nicht helfen, aber wenn sie frieren und hungern da wollen wir gerne helfen und das Letzte, was wir schaffen können, bringen. Leider muß bei jedem Paketchen Porto bezahlt werden; es wäre doch wirklich angebracht, wenn Soldatenpakete welche an die Front vor den Feind gehen portofrei befördert würden. Die gesparten Notpfennige werden auch bei den Bürgern weniger, denn Verdienst gibt es bei den meisten Einwohnern unserer Stadt schon lange nicht mehr.
Die Angehörigen eines Erfurter Kriegers, der in Belgien liegt gaben einen Feldpostbrief dorthin zur Post. Die Sendung kam wieder zurück mit dem Vermerk: „Zu schwer.“
Der Brief wog 2 Gramm über. Also zurück damit! Ist das nötig?