Freitag 23. Mai 2014     Zeitgeschehen     Freie Presse
Das Thema: Feldpost im ersten Weltkrieg

Lebensader in die Heimat


 

Briefe und Karten waren vor 100 Jahren für viele Familien die einzige Möglichkeit, Kontakt zu halten. Entsprechend wichtig war die Feldpost. Leser haben der „Freien Presse“ nach einem Aufruf tausende Dokumente geschickt – entstanden ist daraus eine Serie, die am Montag beginnt.

I. Feldpostbriefe & -karten von Soldat Georg Hauck, Gefallen 19. August 1915

Feldpost (1)

Von den Zwickauern sind verschiedene tot

Geschr. d. 4.8.15
Meine liebe Frau 6 Kinder!
Heute haben wir einmal richtige Ruhe, wo ich Dir auch verschiedenes schreiben kann. Zuerst muß ich Dir mitteilen, daß ich heute die ganze alte Post von Dir erhalten habe. Ich erhielt, 1 Paket mit dem Messer, eins m. Speck, eins mit der Blutwurst, ich glaube aber daß was heraus ist, weil das Paket auf war. Dann erhielt ich noch ein Paket von der Mutter, eins von Erhard u. Eins von Klöppel m. Oelfarben. Mich hat verschiedenes sehr gedauert, weil gerade das Paket mit dem Zuckerhonig ganz gedrückt war und viel verloren. Die Wurst ist noch gut, weil sie hart war. Heute habe ich den Speck gleich ausgelassen, nun habe ich wieder paar Tage was zum Brot. Erhard sein Päckchen war auch wundervoll, das hat mich auch sehr gefreut. Es ist blos schade, das immer alles zusammen kommt, man kann es doch nicht immer alles herumschleppen. Du glaubst nicht liebe Frau, wie wir es die letzten 14 Tage satt hatten, diese Märsche in der Hitze, nichts zu trinken u. Zu Essen, des Nachts bei Regen unter freien Himmel schlafen, da habe ich immer 3 Tage garnicht geschlafen, denn hier ist schon starker Reif des Nachts. Jetzt sind wir auf paar Tage abgelöst und haben uns eine kleine Strohbude gebaut, da können wir uns etwas erholen. Ihr dürft aber nun nicht denken, daß wir uns da auf die faule Haut legen dürfen, sondern da gehts vormittags exerzieren, nachmittags Sachen reinigen & Appel. Wie es in der Heimat heißt, im Felde ist Kameradschaft, der täuscht sich. Schlappche, Schweine, Dreckluder u.s.w. Sind an der Tagesordnung. In der Front haben wir des Nachts scharf aufzupassen, und des Tags tüchtigen Arbeitsdienst. Ich habe jetzt wieder etwas erholt, aber ich war vor paar Tage einmal ganz h(...?). Ich muß es als ein Wunder Gottes loben, daß mir noch nichts passiert ist. Wir lagen einmal des ganzen Tag im Granatfeuer, wo auch eine 150mm Kaliber direkt vor uns einschlug. Wir hatten auch ganz ansehnliche Verluste, auch von den Zwickauern sind verschiedene tot. Am meisten habe ich Angst vor der Cholera, da haben wir auch schon Fälle gehabt, auch sind 2 Mann von Zwickau die mir sehr nahe standen, dran gestorben.

Ich habe von den Eltern etwas Kakao da, haben aber kein Wasser, das ist hier sehr knapp. Wir haben schon vor Durst das Wasser gleich aus dem Bach getrunken. Es hat schon Tage gegeben, wo wir früh einen kl. Becher Kaffe u. Ein Stück trockenes Brot erhielten, das mußte bis zum nächsten Tag langen.

Liebe Frieda, Du darfst mir nicht viel übel nehmen, daß man da seine Familie vergisst, und sich manchmal tatsächlich den Tot gewünscht hat. Ich weiß ja, daß es nur schwache Seiten von mir sind, aber man hat es manchmal auch sehr satt. Jetzt stehen wir nahe vor Warschau, und zwar liegen wir nahe vor dem Fluß Bug, da wird es aber noch harte Kämpfe geben. Wir haben aber alle gute Hoffnung, daß es doch bald alle werden muß. Es ist blos nicht richtig, das die Russen so unterschätzt werden, zumal die russ. Artillerie schießt sehr gut. Auch wenn man den Russen gegenüber liegt, darf man sein Köpfchen so sehr zeigen, diese beobachten sehr gut.

Liebe Frieda, habe ich Dir wegen Wintersachen geschrieben, da kannst Du ganz altes Zeug schicken. Am schlechtesten sind die Läuse die ich habe, es giebt kein Mittel nur tüchtig absuchen. Mein ganzer Körper ist zerkratzt, nicht nur wir haben diese Tierchen, da kannst Du auch die Offiziere laußen sehen. Ich habe Dir noch 5,90 Mk geschickt, habe noch 4 Mark, ich will mich nicht ganz ausgeben, im Falle man wird verwundet, daß man paar Pfenige im Lazarett hat. Ich kann auch nicht verlangen, daß Du und die Mutter bei dieser Teuerung viel ausgibst, nur etwas Zuckerhonig, kannst auch Pfd. Klarem Zucker schicken, wir sind froh wenn wir Zucker zum Brot haben, das ist unsere Hauptspeise, Brot und Zucker.

Von den Eltern habe ich die Photographie erhalten und bis jetzt 4 Päckchen. Liebe Frieda, ich muß mich aber sehr über Demembers & Schenks wundern, nicht einmal eine Karte habe ich von diesen, die werden wohl auch noch verhungern. Von Linna & Elsa habe ich gestern auch einen Brief erhalten. Nun meine liebe Maus mache ich Dir nun das Herz nicht schwer, sondern halte Du auch mit Mut aus, wie ich es auch thun muß, u. Auch gern will.

Bitte sage der lieben Mutter & Erhard meinen besten Dank für die Päckchen und seid alle recht herzl. Gegrüßt von Eurem Georg.

Schreibe mir sofort, ob Du diesen Brief erhalten hast, denn es werden manche geöffnet, und die Wahrheit darf man nicht schreiben.


 

Zur Post:
Dies ist der erste noch erhaltene Brief von Soldat Georg Hauck (Foto). Er lebte mit seiner Frau Frieda und den vier Kindern, zwei Söhnen und zwei Töchtern, in Zwickau. Die Schriftstücke wurden von H. Hauck an die „Freie Presse“ gesandt, dem Enkel von Georg Hauck.

Bei der Übertragung der Briefe wurde die historische Schreibweise weitestgehend beibehalten.


Feldpost (2)

Kannst Du mir noch Hingfong schicken

Meine liebe Frau & Kinder!
Dir herzl. Grüße aus dem Unterstand sendent, denke ich heute wieder mit großer Sehnsucht an Euch. Der Tag verläuft bei uns ruhig aber vorige Nacht hatten wir tüchtiges Feuer, aber Gott sei Dank gar keine Verluste. Wir haben gute Stellung, der Schützengraben ist 2 Meter tief. Die Russen beschießen die ganze Nacht unsere Stellung, die Kugeln aber alle über unsere Köpfe weg pfeifend. Am schlechtesten ist die Schlafgelegenheit im Unterstand, es ist alles zu klein, da können wir nur sitzend schlafen. Auch können wir uns die ersten 8 Tage nicht waschen bis wir wieder 4 Tage in Reserve kommen. Das Wasser ist sehr ?? und 1 Stunde zu holen und zwar geht da ein Mann von der Gruppe. Die Stelle wo das Wasser ist, kennen die Russen, und wird von ihnen immer mit Artilleriefeuer belegt. Auch ists schlecht mit Essen, die Küche kann nur bis auf eine Stunde entfernt von der Front aufstellen, so weit ist abends das Essen zu holen. Liebe Frieda mache Dir keine Angst wegen mir, wir haben hier nur die Front vor Warschau zu halten. Außerdem der Russe versucht uns zu durchbrechen, aber da möchte ich seine Verluste vor dem Drahtverhau sehen.

Lieber Curt, Helmut & Ilse folgt Eurer Mutter gut, damit sich Euer Vater freuen kann, wenn ich durch Gottes Hilfe wieder zurückkomme. Liebe Frieda hast Du meinen ersten Brief bekommen, morgen schicke ich Geld ab, wenn Du es hast, so schreibe sofort. Liebe Frieda, wenn Du was schickst, so kaufe Du nichts zu rauchen, aber etwas zu essen. Ich glaube zu rauchen bekommt man immer von anderen Leuten. Priem brauchst Du auch nicht zu schicken. Wenn Du mein Geld hast, kannst Du mir noch eine Flasche Hingfong schicken es hat mir immer gute Dienste getan.

Liebe Frieda, schreibe mir auch mal etwas vom Krieg im Westen, hier erfährt man garnichts davon. Ich muß jetzt auf Posten schließen. Bleibt alle recht gesund und betet recht fleißig für mich zum Herrn und für baldigen Frieden. Herzl. Grüße aus der Ferne Euer Vater & Mann.



 

Zur Post:
Dies ist ein weiterer Brief von Georg Hauck. Das Schreiben wurde am 29. Juni 1915 aufgegeben. Im Bild: Kameraden von Georg Hauck. Die Schriftstücke wurden von H. Hauck an die „Freie Presse“ gesandt, dem Enkel von Georg Hauck.

Bei der Übertragung der Briefe wurde die historische Schreibweise weitestgehend beibehalten.


Feldpost (3)

Da lernt an aber den Kopf einziehen

Liebe Frieda  & Kinder
Gestern erhielt ich mit großer Freude Deinen Brief und freue mich, da0 Du Dich auch in diesem Schicksal tapfer zeigst. Heute erwartete ich Deine Paketchen aber leider waren sie nicht dabei. Muß schon 4 Tage trocken Brot essen, haben erst 2 mal etwas zum Brot bekommen. Sobald ich Deine Sachen habe, schreibe ich sofort. Die ganzen Kameraden aus Zwickau die mit in unserer Kompanie sind, haben noch nicht einen Brief, sie beneiden mich. Es genügt liebe Frieda, wenn ich Dir regelmäßig aller 10 Tage mein Geld schicke, wenn Du aller 3-4 Tage 1 Päckchen schickst. Ich würde mich auch freuen, wenn Du mir mal etwas saures schicken würdest. Es giebt keine Büchsen mit Fischen, Rollmöpse oder kl. Gurken auch kannst Du mal Zuckerhonig beilegen, oder mal Erbswurst oder Maggiewürfel.

Meine liebe Frieda was Du nicht schicken brauchst, sind Cigarren und Priem, solches bekommen wir öfter von der Küche, da habe ich den Priem immer frisch. Liebe Frieda, heute habe ich es recht satt, es geht mir sehr im Magen rum, ich habe heute früh mal Wasser getrunken, ich glaube es ist davon. Nun etwas vom Krieg: Vorgestern hatten die Russen einen Angriff auf unsere Stellung unternommen, sie brachen aber vor dem Drahtverhau völlig zusammen. Da muß man staunen wie mit den Menschen gewüstet wird. Wir neuen Krieger haben am ganzen Körper gezittert als es los ging, wenn man aber richtig im feuern ist, denkt man weiter nichts, als nur viel Kugeln raus. Gestern bei Tage hatten wir viel Graben auszuheben, die russischen Kanonen haben tüchtig in unseren Graben gef..ugt.

Heute früh 3 Uhr mußte ich das erste mal mit auf Patrouille unser Gruppenführer und 2 Mann, wir sollten feststellen ob sich Russen im vor unserer Stellung befindlichen Kornfelde befinden. Wir waren kaum 150 mtr. Von unseren Graben vorgekrochen, da bekamen wir Kugel auf Kugel von den Russen, wir konnten nicht vor und rückwärts und dachten, wir müßen bis abends liegen bleiben. Wir faßten uns ein Herz und krochen wieder zurück, glücklich kamen wir wieder im Graben an, da lernt man aber den Kopf einziehen. Heute sollten wir abgelöst werden, ist aber noch kein Ersatz da, morgen Sonntag soll es aber werden. Bei uns ein Tag wie der andere, wir wissen manchmal garnicht was wir für ein Tag haben.

Liebe Frieda, warst Du in Freiberg, weil der Brief in Freiberg abgestempelt worden ist. Von den Eltern habe ich noch kein Bescheid. Ist denn Otto schon ins Feld? Grüße bitte Elsa, sie soll vorläufig damit vorlieb nehmen. Grüße auch Fröhlichs von mir, und sage Paul es soll uns mal einen guten Schnaps schicken, hier kann man auf Posten in der Nacht einen gebrauchen, hier ists sehr kalt bei Nacht.

Sei bis aufs Wiedersehen herzlich gegrüßt von Deinem lieben Mann.

Habe Dir vorläufig 5 Mark beigelegt, schreibe gleich ob Du es erhalten hast.


 

Zur Post:
Dies ist der dritte Feldpostbrief von Georg Hauck. Das Schreiben wurde am 5. August 1915 gestempelt und trägt den Aufdruck „Ersatzregiment Nr. 6/5. Kompagnie“. Er war gerichtet an Frieda Hauck. Das Ehepaar Hauck lebte mit den vier Kindern, zwei Söhnen und zwei Töchtern, zunächst in Zwickau. Die Frau war während des Krieges dann nach Freiberg gezogen. Die Schriftstücke wurden von H. Hauck an die „Freie Presse“ gesandt, dem Enkel von Georg Hauck.

Bei der Übertragung der Briefe wurde die historische Schreibweise weitestgehend beibehalten.


Quelle: Freie Presse

 

Team Bunkersachsen 2014

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