Freitag 23. Mai 2014 Zeitgeschehen Freie Presse
Das Thema: Feldpost im ersten Weltkrieg
Lebensader in die Heimat
Briefe und Karten waren vor 100 Jahren für viele Familien die einzige Möglichkeit, Kontakt zu halten. Entsprechend wichtig war die Feldpost. Leser haben der „Freien Presse“ nach einem Aufruf tausende Dokumente geschickt – entstanden ist daraus eine Serie, die am Montag beginnt.
IX. Landsturmmann Paul Simmel 08.03.1873, im Lazarett verstorben am 31.01.191818
Feldpost (37)
Wie ist es denn mit Diner Arbeit, hast Du noch welche, oder nicht?
Marcoing, 27.8.16
Liebe Emma!
Du wirst schon längst gewartet haben, bis ich Dir Nachricht gebe, jetzt ist es endlich geworden. Wie Du mir mitteilst wollen sie auch die Schläuche u. Mäntel wegnehmen, es ist Zwang, und Ihr bringt keine herunter, deswegen braucht Ihr nicht ängstlich zu sein, das können sie nicht von Euch verlangen, wer sie haben will, wird sie sich schon runtermachen. Und das Zeug werden sie wohl nicht so notwendig brauchen, denn hier sielt sich genug Gummi darum, da könnte besser gespart werden. Wie ist es denn mit Diner Arbeit, hast Du noch welche, oder nicht? Und wie ist es mit den Lebensmitteln bei Euch, bekommt Ihr noch Fleisch und Butter bei Euch? Ich bin noch gesund , was ich von Euch allen auch hoffe.
Gruß an die Mutter und Geschwister u. Großeltern.
Mit herzlichem Gruß
Dein Vater.
Gruß an Pfützens.
Zur Post:
Das ist ein Brief von Landsturmmann Paul Stimmel an seine Tochter. Stimmel wurde am 8. März 1873 geboren. Er hat in der Filzfabrik Wurzen gerbeitet, als Wollbodenvorarbeiter. Er war verheitatet und hatte fünf Kinder. „Aus seinem Leben wissen wir nicht viel, im Großen und Ganzen nur das, was in den wenigen Feldpostbriefen steht“, sagt U. Rothkegel, die Ururenkelin von Stimmel. Bei der Übertragung wurde die historische Schreibweise beibehalten.
…, 23.12.16
Liebe Martha!
Hoffentlich bist Du wieder gesund, und kannst Dir frohe Weihnachten machen. Wie Du schreibst sollst Du ein Kleid von Patzschkens bekommen, das ist ja ganz schön, das kannst Du ja auch gebrauchen. Nun liebe Martha Du gehst doch auch zu Ostern aus der Schule, was willst Du machen, oder hast Du schon etwas? Und Deiner Entlassung werde ich auch nicht mit beiwohnen können, das tut aber nichts, die Hauptsache ist daß Du gesund bist. Wenn Gott will, denke ich im Januar auf Urlaub zu kommen, wenn keine Schiebungen rein kommen, das heißt wenn nicht zu viel krank werden.
Das andere was ich Dir mitteilen könnte, kannst Du ja in Erich sein Brief lesen. Weihnachten feiere ich hinter der Front. Das Paket von Hanken Hermann habe ich geholt, es ist noch alles gut erhalten, das kannst Du den Großeltern sagen, und es hat sich auch verlohnt. Ich sollte ihn noch mal besuchen, es wird aber nicht werden. Schickt mir keine Pakete, wenn Ihr eins von Platschken bekommt, so hebt es nicht auf bis ich komme, eßt nur was drin ist, und laßt es Euch gut schmecken.
Eben wurde Gasangriff angesagt von der Front, nicht ohne Gasmaske ausgehen. Im Fall es kommt rein. Die Engländer haben wie es scheint die Feiertage etwas vor, das sie uns noch die Feiertage verderben, die Lumpen.
Es grüßt Dein Vater.
Gruß a. Mutter
Großeltern
u. Geschwister
Im Hause.
Liebe Frau u. Kinder
Schon lange werdet Ihr auf mich warten, aber verzeihet nur wie ich schon immer geschrieben hab. Am Tage wenig Zeit und abends wenig Licht. Heute morgen war ein großes Schneewetter bei uns, da sind meine Werkleute wieder nach Hause. Und ich habe gleich die zeit benutzt diesen Brief zu schreiben, sonst wird es nicht. Wer weiß was ich Nachmittag machen muß. Ich wollte Euch auch mitteilen, wie ich die Feiertage verlebt habe.
Vom Weihnachtsfeste haben wir gar nichts gesehen, den ersten Feiertag nachmittag hatten wir frei, den zweiten Feiertag wurde ein Schiff verladen, und ich mußte Stämme messen, das waren unsere Feiertage. Zum Christfeste hatten sie uns vergessen, aber nachträglich bekamen wir noch zehn Mark.
Wie es mit meinem Urlaub steht, weiß ich noch nicht, morgen kommt der Unteroffizier wieder, da will ich sehen ob ich fahren kann, oder ob ich nochmal ein Gesuch einreichen muß. Ich hoffe daß Ihr die Feiertage gesund verlebt habt. Wenn es geht sendet mich doch ein Taschenkalender im Brief mit, hier kann ich keinen bekommen. Wie steht es denn mit Rußland, ich habe noch nichts erfahren können, haben sie noch keinen Frieden gemacht. Ich sehe es schon kommen, es vergeht wieder ein Jahr und wir sitzen immer noch hier hausen.
Wie ist denn das Wetter bei Euch, bei uns ist es sehr kalt, zumal wenn man am Wasser steht beim Schiff laden, da steht man den ganzen Tag da und hat wenig Bewegung.
Ich hoffe das Euch die Zeilen gesund antreffen, ich bin gesund. Gruß an die Großeltern und im Hause.
Es grüßt
Euer Vater.
Absender: Landsturmmann Paul Stimmel, Mobl.Etp.Kdt. 88, Holzfällkommando, Deutsche – Feldpost 333
Zur Post:
Das sind Briefe und eine Fotografie von Landsturmmann Paul Stimmel an seine Tochter beziehungsweise Familie. Stimmel wurde am 8. März 1873 geboren. Er hat in der Filzfabrik Wurzen 21 Jahre gearbeitet, als Wollbodenvorarbeiter. Er war verheitatet und hatte fünf Kinder. „Aus seinem Leben wissen wir nicht viel, im Großen und Ganzen nur das, was in den wenigen Feldpostbriefen steht“, sagt U. Rothkegel, die Ururenkelin von Stimmel. Sie lebt heute in Chemnitz. Bei der Übertragung wurde die historische Schreibweise beibehalten.
Feldpost (39)
Ich komme jedenfalls unverhofft
Zevergem d. 13.1.18
Liebe Frau u. Kinder!
Wie Ihr seht bin ich heute in Zevergem, ich bin 3 Tage hier zum Schiff laden. Und bin die paar Tage hier in Quartier, der Weg ist mir zu weit bis Nazareth laufen, es sind gut 2 Std, und schlechter Weg, heute Sonntag werken wir nicht, da die Bauern nicht fahren, sonst müßten wir werken. Heute ist ein sehr schöner Tag, es hat diese Nacht gefroren und heute Sonnenschein. Es ist mein altes Quartier, wo ich schon paar Wochen war. Ich hab kein Fleisch u. kein Brot mit, ich bekomme aber alles, es sind sehr gute Leute. Wie es mit meinem Urlaub steht weiß ich nicht, ich weiß noch nicht ob der Unteroffizier da ist, denn ich komme heute nicht nach Nazareth. Ich komme jedenfalls unverhofft, denn es wird uns erst die letzte Minute gesagt, wenn man fort muß, da muß man nach Deynze zur Untersuchung, das sind 2 Std. Weg, da geht schon ein halber Tag verloren, dann muß man nach Gent und holt die Fahrscheine, da muß man froh sein, wenn man abends fahren kann.
Ich bin gesund, was ich auch von Euch hoffe.
Es grüßt Euer Vater! Gruß an die Großeltern.
Kriegslazarett St. Peter
Deutsches Kriegslazarett – Abteilung 53
Br. B. Nr. 421/18
den 1.2.1918
Frau Anna Stimmel
Wurzen i. /Sa.
Amtsh. Grimma
Das Lazarett erfüllt hiermit die traurige Pflicht, Sie von dem am 31.1.1918 abends 7.10 Uhr erfolgte Ableben Ihres Ehemannes, den Landsm. Paul Stimmel der Wirtschaftskomp. 159 in Kenntnis zu setzen und bringt Ihnen dem herben Verlust die herzlichste Teilnahme entgegen. Derselbe wurde am 30.1.1918 wegen schwerer Quetschung der linken Brusthälfte hier eingeliefert und verstarb infolge schwerer Darmzerreißung und Bauchfellentzündung eines sanften Todes. Auf dem Westfriedhof in Gent wird er am 5.2.1918 vorm. 10 Uhr unter militärischer Ehren eine würdige Ruhestätte finden. Sein Nachlaß besteht aus folgenden Gegenständen.:
1 Uhr mit Kette, 1 Schlüssel, 1 Taschenmesser, 1 Brieftasche mit Inhalt, 1 Notizbuch, 1 Paar Pulswärmer, 1 Taschentuch, 1 Geldbörse mir M. 142,46, wörtlich: Hundertzweiundvierzig Mark und 46 Pfg. und geht Ihnen unter „Einschreiben“ mit gleicher Post zu, davon M. 142, 46 durch Postanweisung.
Der Chefarzt: Dr. Grün (?)
Oberstabsarzt.
Anbei: 1 Kriegsanleihe – Sparkarte mit Marken im Werte v. 7,- M.
1 Gnadenlöhnungsbescheinigung
Zur Post:
Das sind zwei Briefe. Einer stammt von Landsturmmann Paul Stimmel. Er hofft, bald auf Urlaub zu kommen und schreibt, dass er unangekündigt kommen wird. Aus einem Feldlazarett wir seine Frau Anna Stimmel, drei Wochen später vom Tod ihres Mannes unterrichtet. Stimmel Jahrgang 1873, hatte in der Filzfabrik Wurzen 21 Jahre gearbeitet, als Wollbodenvorarbeiter. Er war verheiratet und hinterließ fünf Kinder. U. Rothkegel, die Ururenkelin von Stimmel hat die Post zur Verfügung gestellt. Bei der Übertragung wurde die historische Schreibweise beibehalten.hinterließ fünf Kinder.
Feldpost (40)
Ein niederfallender Baum verletzte ihn
Baudirektion 4
Abteilung I. 2. Februar 1918
Liebe Frau Stimmel!
Wie Ihnen inzwischen schon mitgeteilt wurde, hat Ihr Mann, der Landstm. Stimmel bei der Kriegsarbeit, die er in Erfüllung seiner Pflicht gegen das Vaterland leistete, tötlich verunglückt. Ein niederfallender Baum verletzte ihn durch einen unseligen Zufall schwer, er verlor die Besinnung und starb an den Folgen der Verletzung am folgenden Tag, den 31. Januar 1918. Die Baudirektion verliert mit ihm nicht nur einen tüchtigen, fleißigen und pflichteifrigen Arbeiter, sondern auch einen guten Kameraden. Sie wird ihm ein treues Andenken bewahren. Möge es sich fügen, Liebe Frau Stimmel, daß Sie an Ihren Kindern Trost finden für den harten Verlust, der Sie betroffen hat.
Das wünscht Ihnen in herzlichem Mitgefühl für die Abteilung I der Baudirektion Mockorsen
Baurat
Baudirektion
H.H.O. Den 6. Februar 1918
Zur Post:
Das ist der Brief jener Abteilung, in der Landsturmmann Paul Stimmel Kriegsdienst leistete, an seine Frau, Anna Stimmel. Es wird mitgeteilt, wie er zu Tode kam und seine Habseligkeiten werden akribisch aufgelistet. Paul Stimmel, Jahrgang 1873, starb am 31. Januar 1918. Er hatte in Friedenszeiten 21 Jahre in der Filzfabrik Wurzen als Wollbodenvorarbeiter gearbeitet. Nun war er vermutlich in einem Baukommando und verunglückte tödlich. Er hinterließ fünf Kinder. „Aus seinem Leben wissen wir nicht viel, im Großen und Ganzen nur das, was in den wenigen Feldpostbriefen steht“, sagt U. Rothkegel, die Ururenkelin von Stimmel. Sie lebt heute in Chemnitz und hat die Briefe der „Freien Presse“ zur Verfügung gestellt. Bei der Übertragung wurde die historische Schreibweise beibehalten.