Freitag 23. Mai 2014 Zeitgeschehen Freie Presse
Das Thema: Feldpost im ersten Weltkrieg
Lebensader in die Heimat
Briefe und Karten waren vor 100 Jahren für viele Familien die einzige Möglichkeit, Kontakt zu halten. Entsprechend wichtig war die Feldpost. Leser haben der „Freien Presse“ nach einem Aufruf tausende Dokumente geschickt – entstanden ist daraus eine Serie, die am Montag beginnt.
Feldpost (44)
So allein, es ist doch nimmer schön
Mein lieber Georg!
Deinen Brief erhalten, sende dir anbei die Achselklappen. Du kommst also bestimmt über 8 Tage. Morgen bekommt ihr wohl keinen Urlaub, oder hast du gar keinen eingegeben. Wie steht es mit deiner Butter, schreibe ja, wenn sie alle ist. Macht nur dem Trödel bald mal ein Ende, damit ihr ganz wieder bei uns weilen könnt. Wenn ich auch zu Hause bin, muß ich da auch manchen Brocken einstecken. Bei Werner geht’s am Backen jetzt gar gut, der arme Bub tut einem herzlich leid, hoffentlich ist er über 8 Tage wieder mobil.
Unter vielen 1000 herzl. Grüßen und Küssen
Dein liebes Frauchen und Werner
Mein lieber Georg & Papa!
Heute wieder mal Sonntag und so allein, es ist doch nimmer schön. Ich dachte der Briefträger würde mir was bringen, aber er ging vorbei. Hast du das Päckchen erhalten? Hast Du Alfred geschrieben? Von Paul habe ich noch nichts gehört, wann er kommt. Stopp Rich. Lässt dich grüßen, den sieht man keinen Krieg an, er muß Dienstag wieder fort. Sieht der Junge auf der Karte nicht bald wie unser Werner der Lausbub? Sag, was gibst du denn heute an, stehst auf der Wache und denkst an uns? Na, über 8 Tage bist du doch wieder bei uns.
Sei für heute herzlichst gegrüßt von
Deiner
Gertrud und Elfriede
Herzliche Grüße & Küsse
Dein lieber Werner
Zur Post:
Diese beiden undatierten Postkarten erhielt Soldat Georg Meyer von seiner Ehefrau Gertrud. Zu dieser Zeit war er als Wachposten an der Römerbrücke bei Steinpleis in der Nähe von Werdau eingeteilt. Anfang 1916 wurde er eingezogen, am 28. Juni desselben Jahres kam seine Tochter Elfriede zur Welt. Georg und Gertrud Meyers Post wurde von ihrem Urenkel M. Meyer an die „Freie Presse“ geschickt.
Die Übertragung der Postkarten wurde von den Nachfahren Georg Meyers vorgenommen und beibehalten.
Feldpost (45)
Damit du mir viele Jahre erhalten bleibst
Nisch, (Serbien), den 28.1.17
Meine liebe Gertrud, Werner und Elfriede!
Heute ist Sonntag, der erste, den wir im Feindesland verleben, leider ist es nicht so wie zu Hause. Seit heute früh ¼ 4 sind wir in Nisch wo wir auch bis Nachmittag 3 Uhr verbleiben. Nisch ist eine größere Stadt und Etappenstation, es befindet sich alles unter deutscher Verwaltung, wir haben nun auch wieder deutsche Eisenbahn. Auf größeren Bahnhöfen gibt es auch hier deutsche Kantinen wo du nun alles bekommen kannst, was du haben willst, selbst Wurst, Käse usw. Ich habe mir ¼ Pfund Wurstfett zu 60 Lev und ein Päckchen Kekse zu 35 Lev geleistet, schmeckt beides sehr gut und es ist doch auch nicht bei euch zu haben, hoffentlich ist es auch so wo wir hinkommen.
Nun meine liebe Gertrud, Du hast doch nächsten Dienstag auch wieder deinen Geburtstag. Ich würde Dir nun dazu gern selbst meine Wünsche beibringen, leider ist mir das nicht möglich und kann es nur schriftlich tun. Ich wünsche Dir deshalb m. l. Gertrud von Herzen alles Gute. Möge Dich der liebe Gott ferner hin gesund und wohlbehalten, damit auch künftig meine lieben Kinder so gut versorgen kannst wie bisher und vor allen Dingen auch mir viele, viele Jahre erhalten bleibst. Das sind meine einzigen Wünsche, möge diese mir der liebe Gott erfüllen. Zwar werde ich damit etwas spät kommen, doch kommen die selbst aus aufrichtigen Herzen, es gab leider nicht eher die Gelegenheit Dir etwas mehr zu schreiben, hoffe, das du meine Verspätung entschuldigst.
Mein Befinden ist gut, ich hoffe dies auch von Euch meine lieben allen und schließe unter innigsten Grüßen und Küssen
Dein treuer und dankbarer Georg und Papa.
Zur Post:
Soldat Georg Meyer aus Schlettau, der zunächst bei Werdau stationiert war, hat im Dezember 1916 erfahren, dass er an die Front soll. Seine Frau Gertrud und seine beiden Kinder – Elfriede ist am 28. Juni 1916 auf die Welt gekommen – feierten Weihnachten ohne ihn. Auf dem Foto steht Georg rechts außen. Eingeschickt wurde die Post des Ehepaares von ihrem Urenkel M. Meyer.
Bei der Übertragung des Textes wurde von den Nachfahren Georg Meyers vorgenommen und beibehalten.
Feldpost (46)
Man glaubt, es nicht auszuhalten
Schlettau, 16.2.17
Mein lieber guter Georg und Papa!
Soeben erfahre ich von Frau Riedel die Adresse. Hast hoffentlich die Salbe. Schnell mache ich mich nun darüber meinen lieben treuen Georg sofort zu schreiben. Hast Du doch gewiss Sehnsucht und wirst Du Dich sicherlich freuen etwas von daheim zu hören. Ach, wie sehr vermissen wir Dich, Werner fragt oft nach Dir. Wenn doch erst mein Papa wiederkäm, spricht er so oft, so oft. Wenn er wüsste, wie lange es dauern wird, glaubt man es kaum auszuhalten und doch, man muß es. So lang ward ihr unterwegs, hat wohl recht gefroren und wie war die Verpflegung? ___ Wo seid ihr denn nun hingekommen? Bitte schreibe mir doch recht oft und ausführlich, ich werde mich auch abfinden.
War doch auch am Mittwoch der Geburtstag meines lieben Schorschels. Wünsche ich Dir doch von Herzen alles Gute. Vor allem will Gott bitten, dass er uns Frieden gibt und unseren lieben Gatten und Papa gesund und recht, recht bald heimfahren läßt. O, wir wollen uns doch keine Stunde trüben, sondern wollen einander vor Herzleid bewahren, denn was ist der Mensch, wenn ihm der Odem genommen.
Mein lieber Georg, eine traurige Nachricht muß ich dir gleich mitteilen. Am Dienstag früh 10 Uhr ist Dein lieber teurer Vater verschieden. Friedlich und in Gott ergeben ist er ins Jenseits geschlummert, Mutter ist sehr gebrochen, doch müssen wir auch hier Gott bitten, daß er sie in ihren Schmerzen stärkt und er sie uns noch recht lange erhält. Auch Du sei tapfer und stark und denke: „Der Herr hats gewollt, sein Wille geschehe.“ Wenn er wüsste, wie sehr schön sein Begräbnis war und er den vielen, vielen Blumenschmuck und das Geleit zu seiner letzten Ruhestätte gesehen hätte, er wär erstaunt gewesen. Wollen wir ihm den ewigen Frieden gönnen, denn wer weiß was wir noch aushalten müssen. Allerdings schmerzlich, sehr schmerzlich war es , dass Du und Dein Bruder Paul, sowie Emil nicht anwesend waren. Paul und Emil sind ja telegr. Benachrichtigt worden, doch von dir wissen wir ja noch keine Adresse. Also nochmals lieber Georg sei tapfer und stark und ergeb Dich dem Schmerz nicht allzu sehr.
Für heute sei herzlichst gegrüßt und geküsst von Deiner Gertrud und Kinder.
Hoffentlich erhältst du den Brief. Verzeih die Schrift, geht in Aufregung. Werde dir sobald ich von dir Adresse habe, dies alles ausführlich mitteilen.
Zur Post:
Georg Meyer (im Boot rechts) aus Schlettau erhielt diesen Brief von seiner Frau Gertrud. Nachdem er zunächst bei Werdau eingeteilt war, befindet er sich mittlerweile in Serbien und ist seit mehr als zwei Jahren von Frau und beiden Kindern getrennt. Eingeschickt wurde die Post des Ehepaares von ihrem Urenkel M. Meyer.
Bei der Übertragung des Textes wurde von den Nachfahren Georg Meyers vorgenommen und beibehalten.