Freitag 23. Mai 2014     Zeitgeschehen     Freie Presse
Das Thema: Feldpost im ersten Weltkrieg

Lebensader in die Heimat
 

Briefe und Karten waren vor 100 Jahren für viele Familien die einzige Möglichkeit, Kontakt zu halten. Entsprechend wichtig war die Feldpost. Leser haben der „Freien Presse“ nach einem Aufruf tausende Dokumente geschickt – entstanden ist daraus eine Serie, die am Montag beginnt.

 

Feldpost (47)

Hier ist man wenigstens sein Leben sicher

Defcea, 21. Febr. 1917
Meine liebe Gertrud , nebst Werner & Elfriede!
Heute ist der 21. Febr., ein denkwürdiger Tag liebe Gertrud, warum weißt du wohl, nicht war? Heute vor 3 Jahren war der unvergessliche Turnerball, ein Vergnügen, welches mir nicht gleich aus dem Gedächtnis kommen wird, wollte doch Gott das solche Zeiten recht bald wieder zurückkehren mögen.

Wie ist nun alles zerrissen worden, es sind Zeiten gekommen an die wohl kein Mensch gedacht hätte oder haben wir, eins von beiden gedacht, daß ich mich mal von Dir meine liebe Gertrud, für unbestimmte Zeit trennen und so weit, so weit von Dir fort müßte? Nein liebe Gertrud, wohl niemand hat es geahnt und doch ist es geworden. Wie oft denke ich an Euch, wenn ich früh erwache, sind meine ersten Gedanken, was werden meine lieben machen, mein lieber Werner wird auch schon munter sein und vieles mehr.

Wir leben hier wie in der Verbannung, ein Tag vergeht wie der andere und jeden Tag ein- und dieselben Bilder, vor langer Weile wissen wir tatsächlich manchmal nicht, was wir anfangen sollen, heute haben wir zum Zeitvertreib Schneeflocken gemacht, Du weißt schon, von Maiskörnern, auch brennen wir uns öfters Gerste und kochen denselben, es schmeckt dies dann wir Malzkaffee.

Die Gegend in welcher Defcea liegt, ist nicht so eben wie bei Carol I. Hier gibt es Berge, sind aber nicht sehr hoch, Defcea liegt im Tale, sonst gibt es aber auch weiter nichts als wie unendlich lange Mais- und Getreidefelder, sonst nirgends weder ein Baum noch ein Strauch.

Nun liebe Gertrud, muß doch immer noch froh sein, daß man noch hier ist, hier ist man wenigstens sein Leben sicher, wie müßte man tun, wenn, an an der Front wäre, wir halten hier in Defcea den Krieg aus, hoffentlich dauert er nicht mehr lange.

Ich hatte dich gebeten mir öfters mal eine Zeitung zu schicken, hoffentlich hast Du schon eine abgesandt, wenn ich wöchentlich nur eine habe, damit ich mal was zu lesen habe. Hast du den meine Briefe alle erhalten? Von dir ist leider noch nichts eingegangen, hoffentlich wird’s bald!

Sonst bin ich wohl und munter, ich hoffe dies auch von Euch meinen lieben allen und bin unter vielen herzlichen innigen grüßen und Küssen

Dein Georg & Papa ...



Zur Post:
Soldat Georg Meyer aus Schlettau schrieb diesen Brief an seine Frau Gertrud und ihre beiden Kinder. Nachdem er zunächst in Steinpleis und später in Serbien Dienst tat, befindet er sich nun in Rumänien. Die Post wurde von M. Meyer, einem Urenkel der beiden, eingesandt. Die Übertragung der Texte wurde von den Nachfahren vorgenommen und beibehalten.


Feldpost (48)

So ein Lump

Schlettau, den 2. 3. 1917
Mein lieber Georg, unser lieber Papa!
Erst heute erhielt ich deinen am 7.2. geschriebenen Brief. Du kannst also sehen wie unregelmäßig die Post von Rumänien geht. Dein Brief vom 11.2. habe ich noch nicht empfangen. Hast du denn endlich Nachricht von mir, ich denke doch. Es tut mir herzlich leid, Dir gleich so eine Hiobsbotschaft zu übermitteln, ich wollte dies im 1. Briefe garnicht erst schreiben. Aber dann überlegte ich mir, daß es doch besser ist Dich gleich davon zu benachrichtigen. Von Naumanns war dieser Tage der Franzose spurlos verschwunden, gestern früh wurde er in Eibenstock festgenommen. Er hatte sich eine Drahtmatratze gefertigt und unter den Boden eines Güterwagons angebracht. Er ist somit ohne Fahrkarte nach Eibenstock gelangt. Drei Tage ist er in seinem Versteck gewesen, ohne bemerkt zu werden, er wollte nach der Schweiz entkommen, mit Lebensmitteln hatte er sich reichlich versehen. So ein Lump. … jetzt mussten sich auch alle Untauglichen melden, auch Richter Oskar, schließlich angeln sie ihn doch noch. … Wo steckt denn eigentlich Wetzel Max, hast Du vielleicht Ahnung. Frau Wetzel hatte gestern überhaupt noch keine Nachricht, als von der Fahrt. Sie war ganz außer sich. Es ist auch böse, wenn man so wartet und wartet und es kommt nichts, nichtwahr mein liebes Schorschel? … Herzlich froh bin ich, daß Ihr aus dem alten Kaff wieder abgerückt seid. Wo Ihr jetzt seid, vermute ich, ist doch schließlich etwas besser, ich denke doch, wenn bloß so ein paar Mann in einem Ort liegen, läßt sich eher was auftreiben. Schaff dir nur rechte Köche an, damit mal was abfällt, was meinst du dazu mein lieber Lob. Ach wärst du doch lieber bei uns, und könntest du dich so mit über unsere beiden Kinder freuen. Elfriede mausert sich Gott sei Dank ganz schön raus. Mit jeden Tag wird sie auch lustiger und trolliger und der Werner, den Lausbub kennst du ja. Du solltest nur mal die zwei früh im Bette liegen sehen, einzig. Ich mache immer erst Feuer, da lasse ich sie einstweilen noch im Bette stecken, da singt Werner der Elfriede was vor er spricht von seinem l. Papa. Komm nur recht, recht bald wieder, dann wollen wir uns miteinander freuen, geteilte Freude, doppelte Freude.

So zum Schluss noch recht herzl. Gegr. & gek. Von D. l. Gertrud, Werner & Elfriede.

Viele herzliche Grüße
von Vater & Schwestern.
Der König sendet Dir auch einen Gruß.



Zur Post:
Diesen Brief erhielt Soldat Georg Meyer von seiner Frau Gertrud aus Schlettau. Anfang 1915 wurde er zum Militär eingezogen, kam zunächst nach Schedewitz bei Werdau. Anfang 1917 muss er schließlich nach Serbien und von dort nach Rumänien. Während seiner Abwesenheit von der Familie wird am 28. Juni 1916 Tochter Elfriede geboren, im Februar 1917 verstirbt sein Vater. Zu diesem Zeitpunkt ist Georg Meyer bereits seit mehr als zwei Jahren von seiner Familie getrennt.  
Die Post wurde von M. Meyer, einem Urenkel der beiden, eingesandt. Die Übertragung der Texte wurde von den Nachfahren vorgenommen und beibehalten.


Feldpost (49)

Fieber tritt nur an einer ganz bestimmten Stellen auf

Defcea, den 19./5.17
Meine liebe gute Gertrud & Kinder
… Wäre es denn wirklich manchmal schön, wenn ich bei Dir wäre? In welcher Beziehung denn?

Du hast eine Angst wegen Fieber & Seuchen, nun ja Fieber haben wir wohl alle manchmal, aber dies tritt nur an einer ganz bestimmten Stelle auf weißt du wo? Die einzige böse Krankheit welche hier auftritt ist die Malaria, dagegen müssen wir jeden Tag 1 ½ Stk Chinin Tabletten einnehmen. Auf einzelnen Kommandos ist der Flecktyphus ausgebrochen, bei uns aber G.s.D. Nichts vorgekommen, kannst also beruhigt sein.

Es war nicht nötig das du mir Hienfong schickst, ich habe doch von Mutter eine Flasche Ka. Litz. Da, die hat mir schon gute Dienste getan. Du hast mir wohl das Päckchen Portorico welches im Buffetkasten lag mitgeschickt? Das war doch mehr mein eiserner Bestand, den wollte ich zu Hause behalten. Wenn Du eben keinen Tabak mehr bekommst, dann kannst du eben keinen schicken, das ist doch ganz einfach. Mit der Musch wovon ich dir geschrieben habe, meinte ich die Leibbinde u.s.w. Dies ist aber doch angekommen.

Du versicherst mir also, daß ich mich nicht schwarz zu ärgern brauche wenn ich nach Hause komme, nun dann, so will ich mal sehen ob dies stimmt. Was für Versäumtes wollen wir denn nachholen?

Was schwärmt denn unser lieber Werner immer so von mir was will er mit mir anfangen? In den nächsten Tagen will ich ihn nur wieder mal schreiben.

Hammerschmied Hans tut mir sehr leid es ist möglich ich schreibe an Hugo mal. In welcher Weise hat sich denn Otto Mutter gegenüber dankbar gezeigt? Er hat meine Karte erhalten? Ja welche denn, ich habe ihm doch überhaupt noch nicht geschrieben?

Riedel Ottomar ärgert sich also daß er von hier weg ist? Ja wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen, gelegentlich kannst du ihn mal grüßen sag ihm mir ging /gefiel es sehr gut, besonders jetzt wo schön warm ist.

Soweit mags genug sein, ich hoffe daß ihr alle gesund seid und wohlauf seid und unter vielen herzlichen Grüßen & Küssen
Dein getr. Georg & Papa
Schreibe bald wieder.
Auf baldiges Wiedersehen

Grüße an Bek. & Verwande
An Vater habe ich heute auch geschrieben.



Zur Post:
Diesen Brief schrieb Georg Meyer (Foto) aus Rumänien an seine Frau Gertrud und seine beiden Kinder in Schlettau.
Eingesandt wurde die Post des Ehepaares von ihrem Urenkel M. Meyer.
Die Übertragung des Textes wurde von den Nachfahren Georg Meyers vorgenommen und beibehalten.
 

 

Quelle: Freie Presse.

 Team Bunkersachsen

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