Freitag 23. Mai 2014 Zeitgeschehen Freie Presse
Das Thema: Feldpost im ersten Weltkrieg
Lebensader in die Heimat
Briefe und Karten waren vor 100 Jahren für viele Familien die einzige Möglichkeit, Kontakt zu halten. Entsprechend wichtig war die Feldpost. Leser haben der „Freien Presse“ nach einem Aufruf tausende Dokumente geschickt – entstanden ist daraus eine Serie, die am Montag beginnt.
Feldpost (64)
Kinder einen letzten Kuß
Kommt ihr lieben hier die Hand
heute mußt ich scheiden
muß in fernen Feindesland
für die Freiheit streiten.
Ist vielleicht das letzte mal
daß wir hier uns sehn
ewig blick mein Heimatland
sollt ich unter gehn.
Liebes Weibchen schau mich an
schau mir in die Seele
deine Zukunft ist sodann
unser Gott befehle.
Blick und wahre Seeligkeit
hatten wir gefunden
denke in der Einsamkeit
der vergangen Stunden.
Kinder meinen letzten Kuß
auf die roten Wangen
nun ich euch verlassen muß
…. eure Wangen
bleibet für uns alle treu
in der Heimat ferne.
Herlich ist der Heldentod
auf dem letzten Walle
nun hinaus nach Ost und West
rings die Feinde lauern.
Doch wir stehen Eisen fest
stark wie Felsen Mauern
Unser liebes Vaterland
darf nicht unter gehen
Kinder noch einmal die Hand
und auf Wiedersehen.
Zur Post:
Dem Briefwechsel von Max und Alma Göhlert aus Langenau lag diese Schreiben bei, aus dem Ergebenheit gegenüber der Aufgabe spricht, in den Krieg zu ziehen, unklar ist, von wem die Zeilen stammen, ob die Reime selbst gedichtet oder irgendwo abgeschrieben wurden. Alma und Max, seit 1914 verheiratet, wünschen sich – wie aus dem Briefwechsel hervorgeht – Kinder. Sie hatten aber offenbar keine.
Übermittelt hat den Briefwechsel B. Seifert aus Langenau, eine Nichte der beiden, die Übertragung des Schriftwechsels hat E. Hertel aus Freiberg übernommen. Sie hat die historische Schreibweise weitestgehend beibehalten.
Feldpost (65)
Ich warte mit größter Sehnsucht und Sorge
31.5.17
Meine liebe Alma!
Heute kommt Bild Nr, 3 da geht die Sache was reizender zu und sieht wundervoll aus ein junges Mädchen in Unterröckchen. Wie ich früher dich so gerne sah und mir heute noch ganz genau vorstellen kann. Ach wenns doch wieder mal so würde (…)
Eine kolossale Hitze haben wir hier.
Mit herzl. Gruß und Kuß wünscht
die von ganzem Herzen
Dein treuer Max
17.6.17
Mein lieber Max!
Mit überaus großer Freude habe ich gestern dein liebevolles Kärtchen und Photografie erhalten, und dir nach vielen Dank schreibe. Du meinst, ob ich dich denn noch kennen werde, ja ganz genau mein liebes Herz mit den ersten Blick ward mir, als ob ich dich persönlich vor mir hätte. Da es gerade ein recht schöner Sonntag ist heute und unser Heu, was dürr war, rein hatten, habe ich mir gleich noch einen Spaziergang nach Großhartmannsdorf gemacht und wünschte mir den könntest du bei deinen lieben zu Hause sein. Soweit geht es allen noch so halbwegs und soll recht viele Grüße schreiben von Vater, Mutter, Erhard und Ella. Willy ist heute von Oederan wieder fort. Brief folgt.
Auf baldiges Wiedersehn grüßt dich
herzlich Deine treue Alma
10.7.17
Mein heiß innig geliebter Max!
Die herzlichsten Glück- und Segenswünsche zu deinem Geburtstage sende ich dir hiermit. Gott schenke dir recht viel Glück und Gesundheit und baldiges glückliches Wiedersehn.
Mein liebes Herz, überaus groß war meine Freude, als ich heute dein liebes Kärtchen und das Bildchen erhielt. Gleich beim ersten Blick sah ich meinen lieben Max darauf, und um alles deutlich zu sehen, habe ich das Vergrößerungsglas zur Hand genommen. Es wurde mir gleich wieder etwas leichter zu Mute, hatte ich doch wieder ein paar Zeilen von dir mein liebes Herz und weiß daß du noch gesund und munter bist. Gott schütze dich auch fernerhin und laß dich recht bald wieder zu deiner Liebe in die Heimat kehren.
Für alles meinen herzlichen Dank und recht innige Geburtstagsgrüße und Küsse sendet dir Dein treues Weibchen.
17.7.17
Mein liebes Herz!
Noch immer warte ich mit größter Sehnsucht und Sorgen im Herzen auf ein Lebenszeichen von dir. Bei Veit Roberts haben auch schon länger nicht von Georg bekommen und denke, da wird wohl die Post schlecht gehen und den gewiß auch keine Zeit haben. Wenn es nur paar Worte sind wenn es halbwegs möglich ist und die Post nicht ganz eingestellt ist. Ich habe zu große Sorge um dich mein liebes Herz, ach hoffentlich bist du noch gesund und munter. Ich habe dir Butter und Gebackenes abgeschickt, vielleicht ist es noch gut und kannst es dir gut schmecken lassen. Gestern war ein großes Begräbnis bei Auerbachs. Die einzige Tochter, was ihrer Eltern ganzes Leben und Freude war, hat der Tod ihnen genommen. Sie ist im 18. Lebensjahr 3 Wochen älter wie unsere selige Milda war. Es war Anna ihre beste Schulfreundin. Ich bin den ganzen Tag Auerbachs gewesen, mußte Aufwartung machen, weil so viele Verwandte von auswärts da waren. Ach hoffentlich treffen dich die paar Zeilen gesund und munter an und auf recht baldiges Wiedersehn grüßt und küßt dich deine Alma.
Zur Post:
Nicht nur mit Worten versuchte Göhlert aus Langenau bei Freiberg seiner Frau daheim, Alma, seine Liebe zu versichern, sondern auch mit der Wahl der Motive. Er schickte oft Motivserien, wie es die nebenstehenden Abbildungen zeigen. Alma schickt ihm am a10. Juli Geburtstagsgrüße. Wann genau sein Ehrentag ist, geht aus dem Briefwechsel nicht hervor, und ein Geburtsdatum liegt der „Freien Presse“ nicht vor. Sie hat die Feldpost von B. Seifert aus Langenau bekommen, die jedoch wenig Angaben zu Lebensumständen der beiden machen kann, weil sie nur die Nichte ist. So kommt es, dass einzig der Briefwechsel Auskunft über vier Jahre des Lebens von Max und Alma geben.
Bei der Übertragung wurde die historische Schreibweise weitestgehend beibehalten.
Feldpost (66)
Voll stolzer Freude schlug mein Herz
7.8.17 Liebe Schwägerin Alma.
Sende dir mit dieser Karte die besten Grüße und teile dir mit daß ich mich jetzt in der Gegend von Verdun befinde, (…) dieses Bild zeigt in diesem Dorf sind wir ausgeladen worden, dann haben wir noch 2 Stunden zu laufen bis in unser Lager, welches aus klein Bretterbuden besteht, in einem Wald. Liebe Alma, hat dir Max auch noch nicht geschrieben der wird wohl jetzt keine Zeit haben, wenn er noch gesund ist, das was ich ihm immer geschrieben habe ist ja nicht wieder zurück gekommen, da muß er es ja erhalten haben, denke ich. Hier bei uns heißt es auch, es soll von den Franzosen eine Offensive werden, wie die Gefangenen gesagt hätten, da möchten sie nur kommen. Vielleicht wird dann mal Frieden. So sei nochmals gegrüßt dein Schwager Willy. Viele Grüße an die Eltern u. Geschwister.
17.9.17
Mein liebes Herzchen!
Heute sind es nun schon wieder 10 Tage gewesen, das ich dein letztes liebes Kärtchen erhielt. Ach wie habe ich doch schon alle Tage wieder so sehnsuchtsvoll gelauert auf Post von dir und noch viel mehr auf dich selbst mein liebes Herz. Wie ich gestern auf den Bahnhof ging das Geld holen, da kam auch gerade der Zug, wie brannte die Sehnsucht in meinen Herzen, ob denn mein lieber Max wird mit kommen, dachte ich, doch ach, leider wieder nichts. Ach könntest doch du erst wieder bei mir sein. Der Herr Bahnvorstand zeigte mir gleich das Amtsblatt, wo ehrenvoll und ruhmgekrönt dein Name stand und voll stolzer Freude schlug mein Herz, ach könnte ich doch erst wieder an deiner mit Orden reich geschmückten Brust ruhen. Werde dir morgen ein Paketchen mit Butter und Gebackenem abschicken. Recht herzinnig auf baldiges Wiedersehen sei gegrüßt und geküßt
von deiner treuen Alma.
Max an seinen Schwiegervater zum 50. Geburtstag
11.10.17
Die herzlichsten Glück- und Segenswünsche zu deinem Fünfzigjährigen Geburtstag. Das du gesund bleibst und ein doppeltes Alter heran bringst.
Es ist gerade dein vierter Geburtstag in dieser schrecklichen Welt und dein halbes hundert voll bringst und mann noch nicht einem siegreichen Ende entgegen sieht was wir doch alle hoffen möchten noch in diesem Jahr eine Veränderung werden muß. Somit bin ich ganz glücklich gelandet blos diesmal lange Fahrt, ziemlich fünf Tage hab ich wieder gebraucht.
Bleibt alle recht gesund daß wir doch deinen 51-jährigen in anderer Zeit erleben können und gemeinschaftlich feiern können. Es grüßt bestens euer Schwiegersohn Max.
20.10.17
Mein treugeliebtes Herzchen!
Wie herrlich klingt unser neuer Glockenklang, die leuten heut abend Kirchweihfest ein was morgen ist. Bin fertig mit meiner Arbeit und sitze im Kämmerlein ein Stündlein voll Sehnsucht dir zu …? schlafen gehen. Auch ich wollt dir so gerne mein warmes Federbettchen bringen, wenn es nur möglich wäre, was du nun schon 14 Tage hast meiden müssen und das harte Lager dir zur Ruhestätte dient: Hoffentlich wills Gott kannst du mein liebs Herz wieder bei mir sein. Onkel Hermann von Leubsdorf war jetzt auch mal bei uns, der war auch auf Urlaub da, er hat mir das Zeug mitgebracht , was ich bestellt hatte wie Tante da war. Es ist sehr schönes Zeug und habe alles gut eingepackt. 22,50 M kostet es zusammen, ich dachte es würde noch teurer sein. So sei gegrüßt viel tausendmal,du meine treue Seele und dich in Gottes Schutz befehle und auf recht baldiges Wiedersehen küßt dich recht herzlich deine treue Alma.
Wie schön wars doch, wenn wir so glücklich beisammen sein könnten wie die beiden auf dem Bild. Hoffentlich hast du nun unser Bild erhalten. Ich sehe es allemal mit großer Freude an wenn ich mal raufkomme. Es hat seinen Ehrenplatz auf dem Vertiko.
Zur Post:
Auch Alma Göhlert versuchte ihren Mann Max mit einer Auswahl der Kartenmotive zu erfreuen und ihm ihre Liebe zu versichern. Die beiden hatten erst kurz bevor Max 1914 in den Krieg zog, geheiratet. Die Post wurde von B. Seifert, einer Nichte der beiden, an die Freie Presse“ geschickt. Die Transkription des rund 500 Dokumente umfassenden Schriftwechsels wurde von E. Hertel aus Freiberg übernommen.
Bei der Übertragung wurde die historische Schreibweise weitestgehend beibehalten.