Zum Erhalt der Deutschen Sprache

 

 

Vergessene Wörter
 

von Jan von Flocken

Fräulein

In einem Städtchen nahe Wittenberg (Sachsen – Anhalt) lebte bis vor kurzem das Fräulein Gabi. Wiewohl die dezente Dame bereits weißes Haar trug und gelegentlich einer Gehhilfe bedurfte nannte jedermann sie Fräulein Gabi. Sie, die Generationen ihres Ortes das Lesen und Schreiben beigebracht hatte, nahm diese Anrede als völlig normal hin, denn sie hatte nie geheiratet.

Im 12. Jahrhundert kannte auf deutschen Burgen jedermann die „vrouwe“ (Herrin) nebst ihren Töchtern, den „vrouwelin“ (Mädchen). Letztere verkörperten dann in der Neuheit, vor etwa 200 Jahren, die noch ehelosen Jungfrauen vornehmen Standes, das sprichwörtliche gnädige Fräulein. In Goethes Faust Der Tragödie erster Teil -“Denk, Kind, um alles in der Welt! Der Herr dich für ein Fräulein hält.“ - will das schlichte Gretchen dies eben nicht sein: „Bin weder Fräulein, weder schön“, lässt sie den schmeichelnden Freier wissen.

Als Französisch ebenso penetrant den deutschen Sprachgebrauch durchsetzte wie heutzutage das Englische, mutierte das bürgerliche Fräulein einige Zeit zur „Demoiselle“, im Gegensatz zur verheirateten Mamsell. Freilich wäre niemand auf den Gedanken verfallen, im Begriff des Fräuleins etwas Herabsetzendes zu argwöhnen. „Jetzt allgemein in Gebrauch“, konstatierte Mayers Großes Konversations-Lexikon 1908. Angelsächsische Besatzungssoldaten hechelten nach 1945 wie wild den deutschen „Froilains“ hinterher. Die zweite Miss Germany nach dem Krieg war 1950 Fräulein Susanne Erichsen, denn nur unverheiratete Frauen durften sich solchen Wettbewerben stellen. Mit der leichtgeschürzten Elke Sommer gelangte das deutsche Fräuleinwunder in The Wicked Dreams of Paula Schultz 1968 sogar bis nach Hollywood.

Aber das politisch korrekte Neusprech bemächtigte sich unbarmherzig auch des kleinen Fräuleins. Die Genossen der DDR-Begriffsverwaltung schafften schon 1951 den Terminus offiziell ab. Man wollte „die Differenzierung der feudalistischen und kapitalistischen Klassengesellschaft und die damit verbundenen Vermögensrechte sowie die soziale und moralische Stellung der Frau auch im Bereich des Sprachlichen überwinden.“ 1972 zog die Bundesrepublik nach. Ein Erlass des damaligen Innenministers Hans-Dietrich Genscher diktierte, volljährige Fräuleins künftig als Frauen anzureden. Willkommen in der DDR!

Die feministische Sprachpolizei stellte 1981 anklagend fest, nur gefährliche Sexisten redeten noch vom Fräulein, niemals aber würden sie unverheiratete Männer als „Männlein“ titulieren. Gewiss, letztere lässt das Lied lieber still und stumm im Walde herumstehen. Doch wenn man konstatiert, zwischen Männern und Frauen bestünden grundlegende Unterschiede - „Achtung! Erfüllt den Tatbestand des Gedankenverbrechens!“ -, dann sei doch den jungen Frauen auch eine nur ihnen vorbehaltene, noch dazu zartsinnig-galant klingende Anrede!, gegönnt!

Der dänische Autor Peter Höeg nahm sprachlich gar keine Rücksicht. Seinen später verfilmten Erfolgsroman über die Taten einer überaus couragierten und emanzipierten Protagonistin nannte er Fräulein Smillas Gespür für Schnee.

Jan von Flocken ist Historiker, Publizist und Buchautor schreibt regelmäßig in COMPACT über geschichtliche Themen

Quelle: COMPACT, Magazin für Souveränität Ausgabe 1 / 2015


 

 Privatfoto

Das schöne Fräulein. Meine Mutter 

 

Vergessene Wörter
 

von Jan von Flocken

Bursche

„Sie sind ja ein toller Bursche“, freut sich Heinz Rühmann in der Filmkomödie Dreizehn Stühle (1938) über Hans Moser. Worauf dieser grantelt: „Den Ausdruck Bursche muss ich streng zurückweisen.“ Der Bursche war wohl schon ein wenig anrüchig geworden, auch wenn er ursprünglich aus intellektuellen Kreisen stammte.

Noch im großen Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1839 von such man das Stichwort vergebens. Dort ist die Rede von „Burs, burse“ und die Formen Bursch, bursche werden als „gespreizt“ abgewertet. Im Latein des Mittelalters sprach man von „bursa“ (Geldbörse), und gemeint war damit ein Haus, das von einer aus gemeinsamer Kasse lebenden Gesellschaft vor allem aus Studenten, Soldaten oder Handwerkern, den späteren Handwerksburschen, bestand. An der Pariser Universität Sorbonne tauchte erstmals eine solche „bursche“ für die Studenten auf. „Alle zur bursa gehörigen und aus ihr Besoldeten bilden einen Verein, der selbst wieder einen bursa genannt wird, wussten Jakob und Wilhelm Grimm.

Allerdings wurde das feminine Wort „die Bursche“ im Deutschen später als Plural missverstanden und daraus die Einzahl „der Bursch“ abgeleitet. Zunächst hießen nur Studenten so, die Bedeutung „junger Mann“ entstand erst Anfang des 19. Jahrhunderts.

Deutschland große Klassiker hielten sich an die neuartige Variante. Im ersten Teil seines Faust-Dramas benutzt Johann Wolfgang Goethe diese Version. „Wie sich die platten Bursche freuen“, klagt der Student Siebel in Auerbachs Keller über das alberne Treiben seiner Kommilitonen. Johann Wolfgang Goethe verdanken wir auch die Wortschöpfung „ein munteres Bürschchen“ (Wilhelm Meisters Lehrjahre). Dichterkollege Friedrich Schiller lässt einen Soldaten in Wallensteins Lager berichten, der Feldherr sei als junger Mann „ein wenig locker und burschikos“  aufgetreten. Heute würden zumindest Radiomoderatoren das mit „cool und relaxed“ ins Deutsche übertragen.

Auf dem patriotischen Wartburgfest von 1817, als deutsche Studenten mit ihrer Urburschenschaft große Aufmerksamkeit erlangten, Redner: „Euer Name sei, was ihr allein und ausschließlich seid, nämlich Studentenschaft oder Burschenschaft. Dazu gehört ihr alle.“Adlige und Großgrundbesitzer den Begriff des Burschen als Synonym für Dienstboten (Laufburschen) oder auch als Schimpfwort im Sinne des üblen Burschen.

Spätestens seit Jaroslav Haseks bravem Soldaten Schwejk weiß man, was Offiziersburschen sind: „Zur persönlichen Bedienung überwiesene aktive Soldaten, die noch nicht den Rang eines Gefreiten erreicht haben. Im Heer der Weimarer Republik und in der Wehrmacht gab es dann keine Offiziersburschen mehr, aber immerhin noch genügend zähe Burschen.

Jetzt, im Zeitalter der Teens und Twens, der Kids und Guys. Der Rowdys und Boys schwindet der Bursche ebenso dahin wie der sinnreich so genannte Halbstarke. Verschwunden sind auch jene spendablen Herzöge, die sich um ihre Burschen kümmerten. So etwa Wilhelm von Nassau-Weilburg, der zwölf Landeskinder an der Universität Göttingen 1817 Stipendien in Gestalt einer kostenlosen Mittagstafel stiftete. Wenn ein Nassauer Bursche dieses Angebot nicht nutzte, nahm oft ein unbefugter Fremder, der sich als Nassauer ausgab, dessen Platz und die freie Mahlzeit ein. Dieser Kerl „nassauerte“.
 
Jan von Flocken ist Historiker, Publizist und Buchautor schreibt regelmäßig in COMPACT über geschichtliche Themen

Quelle: COMPACT, Magazin für Souveränität Ausgabe 2 / 2015


 

 

 Privatfoto

 

Zwei Burschen bein stromern. Mein Bruder und ich

 

Team Bunkersachsen 2015

 

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